Das Sprendlinger Lied

Die "Sprendlinger Nationalhymne" wird meist an der Sprendlinger Kerb und dort von den Kerbborsche gesungen. Die Melodie beruht auf dem Schlager: „Mein Herz, das ist ein Bienenhaus“ von Josef Schneider (1862 – 1921). Wann das Sprendlinger Lied zum ersten mal gesungen wurde, ist unbekannt. Hier der erste Vers:

 

Kommst Du vom Galljehiwwel her,
lässt deine Blicke ringsum schweifen,
do grüßt die Hub vom Bornwald her
und dort de Haanerwald noch mehr.
On alles, was do mitte drenn leit,
des is meu Sprennlenge,
mein liewe Heimatort,
geh hee betracht es von de Näh,
meu Sprennlenge is wunnerschee.

 

Es gibt Versionen mit stärker betontem Dialekt („Kemmscht du vom …“). Auch wird manchmal „Komm ich vom "... und “lass meine Blicke ..." gesungen. Häufig heißt es auch „lass (anstelle von lässt) deine Blicke… „). Anstelle von „dort“ in der 4. Zeile wird häufig „rechts“ oder, grammatikalisch falsch, „aach“ genutzt. Nicht korrekt ist das manchmal gesungene „Mein liebes Heimatland“. So weit, so gut. Bei den nachfolgenden Strophen gibt es verschiedene Versionen. Eine Version (A) findet man auf der CD des Interton-Trios „Unsere Heimat ist Dreieich“ aus dem Jahr 2007, interpretiert von Heinz Kaut. Zur Wiedergabe bitte auf den Hirsch klicken (mit freundlicher Genehmigung von Helmut Sauer).

 

Und kommst Du näher in den Ort,
dann siehste erst die schönen Straßen
und was sich da verändert hat,
ist heut ne rìcht'ge kleine Stadt:
On alles so entlang dem Hengstbach,
des is meu Sprennlenge
mein liewe Heimatort.
geh hee betracht es von de Näh
meu Sprennlenge is wunnerschee.

 

Und bist Du erst mal mitten drin,
dann merkst Du, wie die Menschen leben
ganz gleich ob jung, alt und grau,
aus Hessen, Preußen, Komotau.
Sie alle fühle sich hier heimisch
en unserm Sprennlenge
des is ehrn Heimatort,
geh hee betracht es von de Näh,
meu Sprennlenge is wunnerschee.

 

Den gleichen Text findet man – etwas mehr versprennlengerischt – in den Unterlagen des Heimatforschers Arno Baumbusch. Auch die hochdeutsche Version wird gesungen. In einem Jubiläumsheft von 1982 des Kerbborschejahrgangs 1921/22 ist der Text der zweiten Strophe zu erkennen (Quelle: Stadtarchiv Dreieich). Es spricht einiges dafür, dass das Sprendlinger Lied in dieser Form bis in die Anfänge der 1970er Jahre die „offizielle“ Version war, wobei die Erwähnung von Komotau, einer Stadt im Sudetenland, wohl dem Reimzwang geschuldet ist. Es gibt noch andere Textvariationen, z.B. die von Hans-Leo Petri, die aber heute keine Relevanz mehr besitzen.

Seit ca. 1972 wird von den Kerbborsche nachweislich eine Version (B) gesungen, die von vielen Personen als die „offizielle“ gehalten wird. Wann und warum diese entstanden ist, konnte nicht herausgefunden werden. Möglicherweise ist der Text bei einem Kerbborschejahrgang während des Genusses von reichlich Alkohol entstanden und wurde dem nachfolgenden Jahrgang als die Originalversion verkauft. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Version vor 1972 entstanden ist und von den damaligen Kerbborsche aufgegriffen wurde. Unabhängig von der Frage, welche die ältere Version ist, muss festgestellt werden, dass Version B über bemerkenswerte Schwächen inhaltlicher und formaler Art verfügt. Diese sind in dem Text der 2., 3. und 4.Strophe (heruntergeladen von https://sprendlinger-kerb.de/kerblieder/ am 15.08.2022) rot markiert. 

 

Gehst du die Hauptstroß dann enuff,
do kimmste an des neue Rothaus.
Guck dort die Herschkuh vorne druff,
die frisst die Rotsbeschlüsse uff.
Un owwe druff des klaane Tärmche,
uff seiner stolzen Höh,
butzt es des Rothaus schee.
Komm her betracht ders von de Näh, von de Näh,
moi Sprennlenge is wunnerschee.

 

Wo krieht mer gute Äppelwoi,
wo gibts die allergrösste Rippcher.
Wo macht mehr Frankforts Brotwärscht schee,
wo is stets jung die Bolizee.
Wo gibts die billigste Filzsohle,
in meinem Heimatort,
meim liebe Sprennlenge.
Komm her betracht ders von de Näh, von de Näh,
moi Sprennlenge is wunnerschee.

 

Wo kannste Straase reche noch,
wo brennt schee die Laterne rote.
Wo wäscht mer der dein dreckische Kopp,
wo krieht die Fraa de scheenste Zopp.
Wo hawwe ach die Fremde Rechte,
wo werste champoniert,
wo werste ondoliert.
Komm her betracht ders von de Näh, von de Näh,
moi Sprenlennge is wunnerschee.

 

In der zweiten Strophe ist „das neue Rathaus“ etwas irritierend. Der Begriff wäre stimmig, wenn das Lied vor dem 1. Weltkrieg entstanden wäre. Nicht akzeptabel ist die „Herschkuh“, die die Rotsbeschlüsse ufffrisst. Es sollte bekannt sein, dass das Sprendlinger Wappen ein stattlicher Hirsch ziert! Warum soll dieser die Ratsbeschlüsse auffressen? In der dritten Strophe ist „wo macht mer Frankforts Brotwärscht schee“ unverständlich, ebenso „wo is stets jung die Polizee“. Werden die Sprendlinger Polizisten nicht älter? Außerdem: Was ist Polizee? Gab es in Sprendlingen wirklich die billigsten Filzsohlen? Die dritte Strophe ist absolut sinnfrei und ohne jeglichen Bezug zu Sprendlingen. Bemerkenswert ist der Hinweis, dass in Sprendlingen auch die Fremden Rechte haben!! NB: Die Reimstruktur abaa  (... her - ... schweife - ... her - ... mehr) wird in den Versen 3 und 4 nicht eingehalten.

 

Man muss anerkennen und akzeptieren, dass die zuerst beschriebene Version A aktuell kaum mehr gesungen wird. Andererseits ist die z.Z. von den Kerbborsche benutzte Textversion B eine intellektuelle Zumutung und für einen heimatliebenden Sprendlinger (m, w, d) nicht akzeptabel. Die Freunde Sprendlingens schlagen nun eine Version vor, in der durch geringe Änderungen die offensichtlichen Schwächen der  Version B behoben werden. Hier die optimierte Version des Sprendlinger Liedes (Petri/Ott). Die Änderungen sind rot markiert. Der 4. Vers der Version B entfällt  wegen fehlender Sinnhaftigkeit.

 

Kimmst du vom Galljehiwwel her,
lass deine Blicke ringsum schweife.
Grüßt dich die Hub vom Bornwald her
und rechts der Haaner Wald noch mehr.
Und alles was da mitte drinne leit,
des is meu Sprennlenge,
des is meun Heimatort.
Komm her, betracht ders von de Näh,
meu Sprennlenge is wunnerschee.

 

Gehst du die Hauptstroß dann enuff,
do kimmste an des scheene Rothaus.
En Hersch im Wappe vorne druff,
bei Rotsbeschlüsse  basst er uff.
Un owwe druff des klaane Tärmche,
uff seiner stolzen Höh,
butzt es des Rothaus schee.
Komm her, betracht ders von de Näh, von de Näh,
meu Sprennlenge is wunnerschee.

 

Wo is de Äbbelwoi noch echt?
wo gibts die allergrösste Rippcher.
Selbst Frankforts weltbekannte Werscht,
die gab's en Sprennlenge zuerscht!
An Kerb gibt‘s gure Quetschekuche
bei uns in Sprennlenge,
meim liebe Heimatort,
komm her betracht ders von de Näh,
meu Sprennlenge is wunnerschee.

 

Abschließend sei angemerkt, dass die wenigsten Leute das Sprendlinger Lied auswendig singen können, die erste Strophe einmal ausgenommen. Es würde nur wenig auffallen, im Internet oder bei aktuellen Auftritten bzw. gemeinsamem Singen den optimierten Text zu nutzen. Denn: Selbst wenn die Kerbborsche 50 Jahre lang einen weitgehend unsinnigen Text gesungen haben, ist dies kein Grund, das auch zukünftig zu tun.