Alte Wälle und Feldsysteme

Betrachtet man den Wald östlich von Sprendlingen im Lidar, so fallen linienartige Strukturen auf. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um die sogenannten "Celtic Fields" (Keltischen Felder).  Darunter versteht man Grenzwälle oder Ackerraine von vorgeschichtlichem Ackerbau. Die Freunde Sprendlingens unterstützten die wissenschaftlichen Untersuchungen von Dr. Volker Arnold im Herrnröther Wald. Vorstandsmitglied Dr. Barbara Simon führte ein Gespräch Dr. Arnold zu diesen Strukturen und zu den Ergebnissen der Grabungen im Oktober 2022. Hier das Interview: 


Herr Dr. Arnold, Sie sind einer der Pioniere auf dem Gebiet der sogenannten „Celtic Fields“, der keltischen Felder. Was muss man sich darunter vorstellen?

 

Die klassischen Celtic Fields sind durch Ackerbewirtschaftung mit dem sogenannten Ard, einem Hakenpflug, entstanden. Diese Art des Pflügens schaufelte im Laufe von mehreren Jahrhunderten immer mehr Material in den Randbereich, so dass rund um das Feld eine Art Wall entstand. Mit Kelten haben sie ursächlich nichts zu tun, das ist eine antiquarische, aber international eingebürgerte Bezeichnung für urgeschichtliche, geschachtelte Feldsysteme ohne Aussparung von Wegen. 

Abb. Links: Rekonstruktionszeichnung - So könnten die Keltischen Felder ausgesehen haben.

Abb. Rechts: Ausschnitt aus dem LIDAR-Relief Ostgemarkung Sprendlingen – Feldraine von möglichen Celtic Fields?

 

Wie sind für Sie die Celtic Fields in den Reliefdarstellungen erkennbar? Und wie unterscheiden Sie diese von natürlichen oder modernen Bodenformen?

  

Ich habe ein digitales Verfahren entwickelt, dass die Bodenstrukturen farblich deutlicher hervorhebt. Im dem folgenden von mir bearbeiteten Ausschnitt sieht man rechts den Luderbach und seine Auen und links unten ein paar Hügelgräber, deren Erhöhung gelb markiert ist. Auf der Fläche dazwischen stechen viele kräftige, rötliche Linien ins Auge. In der Mitte sind drei dieser längs verlaufenden Wälle mit einem gelben Querstrich markiert. Diese Beackerungsspuren sind diffuse, teils gebogene Streifen, die im Abstand von zirka 25 Metern parallel zueinander verlaufen. Mittelalterliche Wölb-Beete, wie sie zum Beispiel bei Groß Gerau vorherrschen, sehen anders aus. 

In der nächsten Grafik sieht man nun einen 10-fach überhöhten, gemittelten Schnitt durch diese drei Wälle. Deutlich wird, dass die Wälle bei etwa 10 m Breite kaum 15 cm Höhe erreichen und deswegen vor Ort sehr schwer erkennbar sind. Viele andere sind noch unscheinbarer, weswegen wir sie nur mithilfe der Laserscan-Technik erfassen können. 

Sie haben im Herbst 2022 eine Grabung im Sprendlinger Wald mit ehrenamtlichen Helferinnen durchgeführt. Können Sie diese Sondage für unsere Leserschaft beschreiben?

  

Gerne. Die Spuren im Sprendlinger Waldgebiet sind mir schon vor einigen Jahren in den Laserscan-Darstellungen des Bodens aufgefallen. Ich war daher erfreut, dass ich vor Ort bei den Freunden Sprendlingens Unterstützung bekam. Die Behörden haben uns sehr weit östlich in der Gemarkung eine Genehmigung erteilt. Dort haben wir an zwei Punkten Grabungen in der Größe 80 x 55 cm und 50 cm Tiefe vorgenommen. Die Schichten wurden sorgfältig durchgesiebt und dabei fanden sich datierbare Holzkohlestücke. Die Freunde Sprendlingens haben dankenswerterweise die Kosten für die Laboruntersuchung übernommen. 

 Abb.: Der Archäologe Dr. Volker Arnold bei der Sondage im Sprendlinger Wald im Oktober 2022. Die Funde werden schichtweise gesiebt, um datierbares Material wie Holzkohlestückchen zu finden.

 

Die Labordaten liegen nun interessanterweise nicht in der Hallstattzeit, aus der ja viele unserer Hügelgräber zu stammen scheinen. Wie erklären Sie sich das?

 

Wichtig ist zu betonen: Celtic Fields stammen zwar oft aus der keltischen Periode, aber es gab sie eben auch vorher und nachher. Prinzipiell können erhöhte Feldränder seit Gebrauch des Ards entstanden sein, wenn Parzellengrenzen mindestens ein bis zwei Jahrhunderte gleich blieben. Insofern kann theoretisch auch ein jungneolithisches oder frühbronzezeitliches Alter in Frage kommen. Zwar brachten die Sondagen nicht die erhofften Ergebnisse, wie ich sie aus vielen Grabungen in Norddeutschland gewohnt bin. Dort liegen nämlich oft Siedlungsabfälle in den Wällen und erleichtern eine Datierung. Aber immerhin an zwei der drei Stellen gab es durch unsere Grabung nun Hinweise auf urgeschichtliche Aktivitäten im Sprendlinger Wald.

 

Die Ergebnisse liegen also weit vor der Hallstattzeit?

 

Ein Datum eines Holzkohlestücks aus 10-20 cm Tiefe datiert in die frühe Bronzezeit um oder kurz nach 2000 v. Chr., aus der es ja in den Wäldern südlich von Frankfurt einige Belege für Bestattungen in Grabhügeln gibt. Zu der Zeit war auch der bereits erwähnte Ardpflug schon länger in Gebrauch und man muss durchaus damit rechnen, dass sich Felder auch aus dieser Zeit erhalten konnten. Frühbronzezeitliche Siedlungsfunde sind allerdings im näheren Umfeld meines Wissens unbekannt.

 

Ein weiteres Ergebnis geht noch weiter zurück?

 

Richtig, in 40-50 cm Tiefe datierte ein Ergebnis zurück in das Jungneolithikum um 3700 v. Chr.. In ihrer Region kennt man aus diesem Zeitraum die sogenannte Michelsberger Kultur. Diese Steinzeitgesellschaften haben auch Ackerbau und Viehzucht betrieben und den bereits erwähnten Ard zum Pflügen benutzt. Allerdings muss es leider vorerst offen bleiben, in wie weit dies mit in den Laserdaten erkennbaren Parzellierungsspuren in Zusammenhang zu bringen ist. Dazu brauchte man deutlich mehr übereinstimmende Datierungen.

 

In einem der Grabungslöcher wurde in 50 cm Tiefe eine Steinaufhäufung angeschnitten. Könnte auch dies menschengemacht sein?

       

Die nur zu einem Teil angeschnittene Häufung quarzitischer Sandsteine wird auf den Menschen zurückgehen, vor allem deswegen, weil einige der Steine deutliche Spuren intentioneller Behauung zeigen. 

 Das hat nicht unbedingt etwas mit Steinzeit zu tun, sondern kann auch mit dem Aussammeln von Steinen aus den Ackerflächen und deren Abwurf an der Ackergrenze zu tun haben. Bemerkenswert ist aber, dass an einem der Steine, einem faustgroßen Geröll, eine Art Schneide gefertigt war, und der da- bei entstandene Abschlag lag noch im Steinhaufen und passt an das Stück! Das bedeutet, dass vor Ort an den Steinen etwas gearbeitet wurde. Dass Archäologen mal zwei zusammenpassende Artefakte finden, ist eine ziemliche Seltenheit.       

Im Lidar-Relief finden sich auch sehr lang gestreckte Wälle. Wie sind diese zu deuten?

 

Lang gestreckte Aufschüttungen könnten Wege oder Grenzwälle gewesen sein. Manche urgeschichtlichen Gesellschaften haben auch schon große Flächen voneinander abgetrennt und diese dann weiter unterteilt. Es könnten diese Ränder von Großparzellen sein, die wir hier sehen. 

 

Abb.: Eine lange wallartige Struktur verläuft von rechts oben (Hügelgrab) nach links unten. Sie wird von einer Landstraße und neu- zeitlichen Wegen geschnitten und ist zirka 600 Meter lang. Im linken, unteren Bereich lag eine Grabungsstelle. 

Sehen Sie eine Möglichkeit, das Rätsel um diese menschengemachten Spuren zu lösen? Müssten weitere Grabungen gemacht werden?

 

Ja, weitere Sondagen im Wald würden bei sorgfältiger Durchführung mit etwas Glück weiteres datierbares Material ergeben. Sie scheinen aber nur in den leicht aufgehöhten „Wällen“ sinnvoll, da es dort wegen der größeren Erdüberdeckung bessere Erhaltungsbedingungen für Holzkohlen und Tonscherben gibt. Eine weitere Möglichkeit wäre, wenn man gründlich in den Wurzeltellern umgefallener Bäume sucht, vorausgesetzt, sie standen mitten auf so einem Wall.

 

Wie sollten wir als geschichtsinteressierte Bürger mit diesen Bodendenkmälern umgehen?

  

Da auch hier in Sprendlingen diese frühgeschichtlichen Spuren im Wald liegen, sind sie vor Baumaßnahmen und Landwirtschaft geschützt. Spaziergänger werden übrigens immer enttäuscht sein, denn die schwachen Erhöhungen von zirka 10 m Breite und höchstens 15 cm Höhe kann man normalerweise draußen mit bloßem Auge nicht erkennen. Aber die großen Maschinen der Forstwirtschaft stellen eine latente Gefahr für die Spuren dar. Es wäre daher wichtig, dass die Celtic Fields einerseits weiter untersucht und studiert und andererseits als Bodendenkmal anerkannt werden. Sie haben Jahrtausende überstanden und sollten nicht ohne Not noch weiter zerstört werden. 


Link zur Webseite von Dr. Arnold zu vielen Beispielen von Celtic Fields in ganz Deutschland und angrenzenden Ländern:

www.celtic-fields.com 

        

Link zum Video von der Sprendlinger Grabung

https://vimeo.com/757718700

 

Von Hügelgräbern und Celtic Fields im Sprendlinger Wald:

https://www.freunde-sprendlingens.de/erste-sprendlinger.html 

 

Mehr Archäologie auf der Privatseite von Barbara Simon https://padlet.com/info7525/arch-ologie-und-geschichte-sprendlingen-erforschen-ggpexgakksyr6j33