Historische Personen

 

 Diese Zusammenstellung stammt aus der Feder von Hans Obermann in der Bearbeitung von Arno Baumbusch

 

Bussius de Amboysia

Johann Balthasar Spieß

Erasmus Alberus

Heinrich von Sprendlingen

Goethe und Sprendlingen

Schiller und Sprendlingen


  

Bussius de Amboysia

 

(ho) Das vor vielen Jahren ausgerechnet ein Mann mit dem romantischen Namen Bussius de Amboysia im kleinen Sprendlingen für eine Turbulenz sorgte, die sogar in heimatkundlichen Büchern festgehalten wurde, ist sicher des Erzählens wert.

 

Im Jahr 1573 brauchte Polen einen neuen König. Der deutsche Kaiser Maximilian bewarb sich um die polnische Königswürde. Aber nicht er, sondern der französische Herzog Heinrich 3. von Anjou wurde zum neuen Polenmonarchen auserkoren. Weil es damals dumm-gutmütige Patrioten gab, die sich wegen des Kummers und der Demütigung ihrer gekrönten Herren selbst verkümmert und gedemütigt fühlten, so war dieses geschichtliche Ereignis Anlass für einen großen Krach in Sprendlingen.

 

Zu jenen Fürsten, die dem französischen Herzog auf seinem Weg durch Deutschland das Ehrengeleit geben sollten, gehörte auch Graf Wolfgang von Isenburg-Büdingen. Am 17. Dezember 1573 zog der neue Polenkönig mit seinem Gefolge in Frankfurt am Main ein. Begleiter des neuen Königs war auch der vornehme Herr Bussius de Amboysia. Er hatte die Pflicht, Herrn Heinrich von Anyou bis Frankfurt zu begleiten. Danach drehte er sein Pferd in die entgegengesetzte Richtung, um nach Frankreich zurückzureiten.

 

Aber erst einmal kam er nach Sprendlingen. Dort kehrte er bei dem Gastwirt Lilian Schickedanz ein. Wirt Schickedanz war selber gerade nicht anwesend, sondern unterwegs zum Weinkauf in Offenbach. Als spätabends der angetrunkene Schickedanz nach Hause kam und erfuhr, dass ein Franzose, ein genau solcher Franzose, wie der, der seinem Kaiser das Recht auf das polnische Königreich streitig gemacht hatte, unter seinem treudeutschen Dache wohne, da jaulte Schickedanz vor nationaler Kränkung laut auf. Er drohte seiner Frau, sie grün und blau zu verprügeln. Nun schrie die Frau auf. Das hörte der Kavalier Bussius de Amboysia in seinem Bette, sprang auf, fand als echter Franzose sofort die Küche und die Wirtin – und sah sich einem angetrunkenen, streitbaren Gastwirt Schickedanz gegenüber.

 

Der Gastwirt sah rot und griff den Herrn aus Frankreich tätlich an. Der Franzose war zwar im Nachthemd, aber als umsichtiger Edelmann hatte er seinen Degen mit in die Küche gebracht. Mit diesem schlug er zunächst dem Wirt dessen Waffe aus der Hand (es ist nicht überliefert, um welche Tötungsmaschine es sich handelte). Danach stach Herr Amboysia den Herrn Schickedanz so kunstgeübt und empfindlich, dass jener ein weiteres Mal jaulte und blutete. Jetzt gings erst richtig rund, Schickedanz brach zusammen. Bauern umringten den Amboysia. Ein ganz Schlauer rannte zur Kirche und ließ die Glocken läuten. Die Einwohnerschaft versammelte sich panikartig vor dem Gasthaus und prüfte, wo Feuer  ausgebrochen sei. Inzwischen hatte der bedrohte Bussius die Gasthaustür mit Tischen verbarrikadiert und versteckte sich. Laut rief er nach einem Dolmetscher, um den Irrtum aufzuklären.

 

Fenster, Bänke, Öfen gingen bei dem anschließenden Kampf völlig zu Bruch. Ein adeliger Knappe des französischen Herren wurde getötet. Ein Frankfurter und ein Hesse (das war ein Unterschied!) wurden verwundet. Man fesselte den erheblich verletzten Bussius und brachte ihn auf Geheiß von Amtmann Hadermann aus Dreieichenhain nach Offenbach zum Grafen von Isenburg-Büdingen. Der kam herbeigebraust und forderte, den Franzosen sofort freizulassen. Nicht auszudenken, wie Heinrich 3. auf das reagieren würde, was seinem Landsmann Bussius de Amboysia in Sprendlingen widerfahren war… Der französische Edelmann kam unverzüglich frei und soll noch recht lange gelebt haben.  

 

Johann Balthasar Spieß

Das schöne Fachwerkhaus neben der Alberuskirche am Lindenplatz war einst der Wohnsitz aller evangelischen Geistlichen von Sprendlingen. In den Jahren 1831 bis 1841 lebte dort der Pfarrer Johann Balthasar Spieß. Seinen weit über seine Zeit hinausgehenden Ruf hat er sich allerdings nicht als Theologe, sondern als Schulmann erworben. Johann Balthasar Spieß (1782-1841) war etwa 30 Jahre alt, als man ihm in Offenbach die Leitung des Bernhardstiftes, eines Erziehungsinstituts für Knaben übertrug.

 

Um die Jahrhundertwende muss Spieß den Organisten und Kantor Adam Erk aus Dreieichenhain kennengelernt haben, den Vater des später so berühmten Volksliedersammlers Ludwig Erk. Der Glaube und die Liebe zur Musik zogen die beiden Männer zueinander hin. Sie wurden Freunde. So kam es, dass Spieß den am 6. Januar 1807 geborenen Ludwig Erk zu seinem Patenkind machte. Als Vater Adam Erk am 31. Januar 1820 in Dreieichenhain starb, nahm Johann Balthasar Spieß den 13jährigen Ludwig, einen hochmusikalischen Knaben, zu sich nach Offenbach in das Bernhardstift. Spieß, ein Verehrer der Pädagogik Pestalozzis, gab seinem Patenkind eine für die damalige Zeit gediegene humanistische Ausbildung. Außerdem setzte er den jungen Ludwig dafür ein, gleichaltrigen Kindern Musikunterricht zu erteilen.

 

Später widmete Ludwig Erk seinem Patenonkel und Lehrer sein reifstes Werk, den “Liederhort“. Überliefert sind Erks Worte: „Spieß und Diesterweg (der berühmte Pädagoge) haben mich ins Leben gestoßen mit all ihrer Leidenschaft zur Musik“. In dem 1988 auf der Dreieichenhainer Naturbühne aufgeführten Volksstück „Der Schatzsucher“ wurde sowohl Ludwig Erk als auch Johann Balthasar Spieß wieder lebendig.

 

Erasmus Alberus

 

Natürlich gehört in diese Serie über Menschen, die in unserer Heimat ihre Spuren hinterließen, Erasmus Alberus. Das 16. Jahrhundert war rar an deutschen Dichtern, die Bleibendes geschaffen haben. Zu denen, die – unabhängig ihrer sonstigen Verdienste – von der Literaturgeschichte noch heute rühmend erwähnt werden, zählt Erasmus Alberus. Elf Jahre lang – von 1528 bis 1539 – war er Pfarrer in Sprendlingen und Götzenhain.

 

In Staden oder Engelrod in der Wetterau soll er um! 500 als Sohn eines katholischen Geistlichen  geboren sein. Durch die Zeugung dieses Sohnes und einer danach vollzogenen Heirat brach der Vater mit dem Katholizismus und wandte sich dem evangelischen Glauben zu. In diesem protestantischen Geist wurde Erasmus erzogen. Nach dem Schulbesuch in Nidda, wo er, wie in seinem „Buch der Ehe“ erzählt, von seinem Schulmeister grausam behandelt wurde, studierte  Alberus in Wittenberg bei Luther und Melanchthon. Alberus lehrte später bei den Ursulinen in Frankfurt und Heidelberg und wurde vom Landgrafen Philipp von Hessen nach Sprendlingen gerufen, um dort die Reformation einzuführen.

 

Alberus, schon zu Lebzeiten als „Eiferer und Polemiker“ bekannt, ging aber mit großer Vorsicht daran, die Sprendlinger vom alten zum neuen Religionsverständnis zu führen. Viele Bräuche, die den Christen vertraut waren, tastete er nicht an. Er behielt beispielsweise den priesterlichen Chorrock an und verging sich an keinem der Feiertage. 

 

Sein Mittel, den Glauben zu reformieren, waren die im Geiste Luthers verfassten Predigten und die von ihm geschriebenen und eingeführten Choräle. Seine geistlichen Lieder und „Neunundvierzig Fabeln – mit guten Reimen verkläret“ fanden starke Verbreitung. Nach seinem Aufenthalt in Sprendlingen war er Hofprediger zu Berlin, Oberpfarrer in Brandenburg, , Pfarrer in Staden und Babenhausen, wo er willkürlich entlassen wurde. Es folgte Magdeburg, wo er ebenfalls entlassen wurde. Schließlich war er Generalsuperintendant in Neu-Brandenburg, wo er 1553 verstarb. Alberus hinterließ in seinen Fabeln unter anderem die Sage vom Sprendlinger Hirschsprung.

 

 

Heinrich von Sprendlingen

 

Immer stand das Dorf Sprendlingen im Schatten der einstigen Residenzstadt Dreieichenhain. Ja sogar die Burgmannensiedlung Götzenhain, sozusagen das Küchendorf für die Herrschaften in Dreieichenhain, war noch vornehmer. Und doch, so hat Heimatforscher Heinrich Runkel herausgefunden, hat es zumindest im 13. Jahrhundert auch in Sprendlingen eine adlige Herrschaft gegeben.

 

„Henricus de Sprendlingen“ (Heinrich von Sprendlingen) wird in wenigstens zehn Urkunden erwähnt, die zwischen 1269 und 1287 ausgefertigt worden waren. In diesen Dokumenten, die sich mit Schenkungen, Vermächtnissen, Verkäufen und Bürgschaften beschäftigen, steht der Name Henricus in einer Reihe von vielen „edelen Herren“.  Man darf also annehmen, dass dieser Henricus oder Heinrich zum sogenannten niederen Adel gehörte. Ganz bestimmt zählte er zum Freundeskreis der Ministerialen-Familie von Falkenstein, die über mehrere Jahrzehnte den mächtigen Wildbannvogt für die Dreieich stellte. Denn in vier der aus dem 13. Jahrhundert überlieferten Urkunden ist Heinrich von Sprendlingen als Zeuge für die Falkensteiner benannt.

 

Dieser Heinrich war verheiratet. Das geht aus einer Schenkungsurkunde vom 21. Januar 1289 hervor. Sie beginnt: „Wir Heinrich von Sprendlingen, und Gertrudis, seine Frau…“ In diesem Dokument bekundet das Ehepaar, dass es dem Kloster Patershausen (bei Heusenstamm) seine Besitzungen in Vilbel, Griesheim, Kelsterbach, Sachsenhausen, Frankfurt und Neuenhain vermachen will, falls es kinderlos bleibt. Gleichzeitig behielten sich die Eheleute auf Lebenszeit das Recht zur Nutzung und zum Verkauf von Teilen ihrer weitgestreuten Besitzungen vor.

 

Die adligen Herrschaften blieben wohl tatsächlich kinderlos, denn in einer Urkunde vom August 1303 bestätigt Philipp von Münzenberg, dass der “ehrsame Heinrich von Sprendlingen und seine Frau Gertrudis die Vilbeler Güter in Dorf und Feld dem Kloster Patershausen geschenkt haben“. Nach dem Tode Heinrichs verwaltete Gertrudis Bruder die Güter. Die Witwe verbrachte ihren Lebensabend im Kloster Patershausen. 

 

 

Goethe und Sprendlingen

 

Sprendlingen muss zu Anfang des 19. Jahrhunderts wirklich ein ärmliches Nestchen gewesen sein. Es muss sich stark von anderen deutschen Dörfern unterschieden haben, dass es sogar dem Dichterfürsten Johann Wolfgang Goethe auffiel. Der Goethe kam oft durch Sprendlingen, denn das Dorf lag schließlich an der wichtigen Nord-Süd-Straße des Reiches.  Entweder er wollte gerade mal auf die Schnelle nach Frankfurt, um Mutter Aja guten Tag zu sagen, oder es trieb ihn zu seinem Darmstädter Freund, den Kriegsrat Merck.  

 

Um Sprendlingen kam da die Postkutsche nie drumrum. Bereits am 25. August 1797 verewigte Goethe das Dorf Sprendlingen in seinem Tagebuch und zwar naturwissenschaftlich und sozial: in seinen Notizen „Aus einer Reise in die Schweiz“ finden wir: „Auf der Chaussee von Sprendlingen bis Langen findet sich viel Basalt, der sehr häufig in dieser flach erhobenen Gegend krachen muss; weiterhin sandiges flaches Land, viel Feldbau aber mager. Ich sah seit Neapel zum erstenmal wieder Kinder Pferdeexkremente in Körbchen sammeln!“ Soweit Goethe. Neapel war ihm erinnerlich als die entschieden ärmlichste Stadt Italiens.  

 

An dieser Notiz ist ebenfalls beachtlich, wie scharf der Weimarer Staatsminister, Theaterintendant, Dichter und Naturwissenschaftler Freiherr Dr. von Goethe zu beobachten wusste. Im Herbst 1815  soll Goethe zum letzten Mal mit seiner schweren Reisekutsche durch Sprendlingen gerumpelt sein. Er wollte nach Langen. In Langens Gasthaus „Zur Sonne“ pflegte er nach Frankfurt zum ersten Male die Pferde wechseln zu lassen. Dort traf er sich während dieser Umspannpause immer mit seinem Intimus Merck.  

 

Schiller und Sprendlingen

 

Hatte unser großer Dichter Friedrich Schiller irgendeine Beziehung zu Sprendlingen? Wenn Schillers Freund Andreas Streicher in seinem Reisebericht „Schillers Flucht von Stuttgart“  von dem Dreieich-Heimatforscher Dr. Hans Kemp richtig gedeutet worden ist, dann hatte der Dichter im September 1782 sogar eine höchst unangenehme Beziehung zu Sprendlingen, genauer zu einem Gasthaus. 

 

Am 22. September des genannten Jahres floh Schiller, begleitet von Andreas Streicher, aus Stuttgart. Wegen Geldmangels mussten die beiden die Reise zu Fuß antreten. Als Ziel war Mannheim ins Auge gefasst. Da aber ungewiss war, ob die Häscher des Herzogs Karl Eugen von Württemberg nicht auch in Mannheim nach dem in Ungnade gefallenen Dichter suchen würden, wichen die Freunde zunächst nach Frankfurt aus. Auf ihrem Weg kamen Schiller und Streicher auch nach Darmstadt, wo sie übernachteten. Am nächsten Tag machten sie zuerst Rast in Arheilgen und kehrten Stunden später erneut ein – in irgendeinem Gasthaus eines nicht näher bezeichneten Dorfes. Dazu Andreas Streicher: „Allein es war in dem Wirtshaus zu lärmend, die Leute zu roh, als dass es über eine halbe Stunde auszuhalten gewesen wäre“. Die Freunde verließen schnell die ungastliche Stätte und schlugen ihr Lager kurze Zeit später in einem Wäldchen auf. Während der völlig übermüdete Schiller sofort einschlief, hielt sein Weggefährte ängstlich Wache. 

 

Heimatforscher Dr. Hans Kemp suchte nun herauszufinden, wo genau sich jene Episode zugetragen hat. Nach gründlicher Analyse des Reiseberichts, bei der er auch die Wegstunden zusammenzählte, kam er zu dem Schluss, dass Schiller und Streicher in einem Wäldchen zwischen Sprendlingen und Neu-Isenburg ihr Notlager aufschlugen. Und das unwirtliche Gasthaus muss laut Nachforschungen Kemps in Sprendlingen gestanden haben. Der Heimatforscher schrieb: „Es kann für ausgemacht gelten, dass der Ort, an dem der wegemüde Dichter Erholung suchte, aber nicht fand, Sprendlingen gewesen ist.