Wilhelm Ott, mit Unterstützung von Wilhelm Schäfer, im September 2023
Zusammenfassung
Die folgende Publikation beruht auf Recherchen im Stadtarchiv Sprendlingen und in den Staatsarchiven Darmstadt und Wiesbaden, auf Aussagen von Zeitzeugen und aus der publizierten Literatur.
Aufgrund eines Gerichtsurteils aus dem Jahr 1946 konnte das Geschehen bei der Brandstiftung der Sprendlinger Synagoge weitgehend rekonstruiert und die Täter benannt
werden. Während der Ortsgruppenleiter Johann Philipp Schäfer bereits 1940 verstarb, wurde der zweite Haupttäter, Karl Johann Stroh, 1946 zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.
Wegen anderer NS-bezogener Delikte verbrachte er insgesamt vier Jahre im Zuchthaus und Arbeitslager.
Das Dokument besitzt drei Anhänge:
In der Publikation "Die Sprendlinger Juden" der Freunde Sprendlingens wird nicht detailliert auf die Vernichtung der Sprendlinger Synagoge eingegangen. Schriftliche
Berichte von Zeitzeugen liegen ebenfalls nicht vor. In der Literatur (Dieter Rebentisch et al., Dreieich zwischen Parteipolitik und "Volksgemeinschaft", S. 281) wurde ein Auszug aus einer
Verurteilung wegen Brandstiftung der Sprendlinger Synagoge abgedruckt. Dieser Bericht war Anlass, sich die im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt unter der Signatur HStAD H 13 Darmstadt,
914 aufbewahrten Dokumente nochmals anzuschauen.
Es handelt sich um Dokumente über ein "Strafverfahren gegen Karl Johann Stroh wegen Beteiligung an der Judenverfolgung und der
Zerstörung der Synagoge zu Sprendlingen in der Reichspogromnacht". Die Akte enthält umfangreiche Zeugenberichte über Folterungen im Keller des Sprendlinger Rathauses im Jahr 1933 durch den
Angeklagten und über die Geschehnisse bei der Synagogenzerstörung. Über die Verurteilung des Karl Johann Stroh wegen der Misshandlungen von politisch Verfolgten im Rahmen der
"Machtergreifung" wird an anderer Stelle dieser Website berichtet werden. Im Folgenden stehen die Geschehnisse des Synagogenbrands in Sprendlingen im Vordergrund.
Von besonderem Interesse ist die Begründung des Urteils gegen Karl Johann Stroh, in der der Ablauf der Brandstiftung
detailliert beschrieben wurde:
Der Angeklagte ist geständig, am Morgen des 9. November 1938 die Synagoge in
Sprendlingen in Brand gesetzt zu haben. Nach seinen glaubhaften Einlassungen wurde er in der Frühe dieses Tages von der Standarte in Offenbach telefonisch davon verständigt, dass nach
Ermordung von Raths alle Synagogen anzuzünden seien und dass er für die Ausführung des Befehls in Sprendlingen ausersehen wäre. Der Angeklagte begab sich daraufhin sofort zu der Judenschule,
einem kleinen Gebäude von 5 × 5 Meter, in dem die jüdische Gemeinde ihre Gottesdienste abzuhalten pflegte. Dort traf er den damaligen, inzwischen verstorbenen Ortsgruppenleiter
Schäfer (*s. unten) von Sprendlingen, der ihm nähere Anweisungen für die Tat gab. Der Angeklagte hatte, wie er zugibt, keinerlei
Bedenken gegen die Vernichtung der Synagoge als solcher. Er habe dem Ortsgruppenleiter lediglich eingewandt, dass es doch um das Baumaterial schade wäre; er hielte es für klüger, sie einfach
abzureißen.
Schäfer bestand jedoch auf seiner Anweisung und schickte dem Angeklagten den
Zeugen Kother, dem dieser dann befahl, Fall Benzin zu holen. Kother kam mit dem Benzin alsbald zurück, das der Angeklagte im Türrahmen des Gebäudes stehend, kurzerhand in den Raum hineingoss.
„Mach’s kurz und bündig“ hätte der wieder dazukommende Ortsgruppenleiter erklärt, der dann seinerseits das Streichholz an das Benzin hielt. Der mit Holz verkleidete Raum ging sofort in Flammen
auf, in etwa 20-25 Minuten war er völlig ausgebrannt.
Karl Johann Stroh, geb. 5.11.1900, trat am 1.11.1931 sowohl in die NSDAP als auch in die SA ein. Als engagierter
Nationalsozialist stieg er in den Rang des Hauptsturmführers in Sprendlingen auf. In dieser Eigenschaft erhielt er die Anweisung seiner SA-Vorgesetzten in Offenbach, die Sprendlinger Synagoge in
Brand zu setzen. Dieses Vorgehen war eine zentral gesteuerte Reaktion auf die Ermordung des deutschen Botschafters Ernst vom Rath in Paris durch den Juden Herschel Grynszpan, in der die
angebliche Volksempörung Ausdruck fand. Karl Stroh wurde am 1.9.1945 von den amerikanischen Militärbehörden wegen Brandstiftung und Körperverletzung verhaftet und am 17.1.1946 den deutschen
Behörden überstellt. Er kam am 29.1.1946 formal in Untersuchungshaft (Gerichtsgefängnis in Langen). Am 14.5. 1946 wurde er wegen Brandstiftung an der Sprendlinger Synagoge zu 2 Jahren Zuchthaus
verurteilt, wobei die 8 Monate Polizei- und Untersuchungshaft angerechnet wurden (Urteilsabschrift). Am 19.7.1946 kam es zur Verhandlung wegen der Misshandlung
von "Linksgerichteten". Der Angeklagte wurde zu 1 Jahr und 6 Monaten, also insgesamt zu 3 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt. Unter Anrechnung der Polizeihaft von 8 Monaten hätte
er 2 Jahre und 10 Monate im Zuchthaus Butzbach absitzen müssen. Aufgrund eines Gnadengesuchs seiner Ehefrau wurde er 5 Monate früher, am 14.10.1948 entlassen. Am 15.8.1948 wurde er von der
Spruchkammer Offenbach-Land des "Ministeriums für politische Befreiung" erneut wegen Misshandlungen (anderer) politischer Gegner und Verhaftungen von Juden und Antifaschisten zu 5 Jahren
Arbeitslagersühne und 300 DM Sonderbeitrag zu einem Wiedergutmachungsfond verurteilt, wobei die Haftzeiten vor der Arbeitslagerhaft wiederum angerechnet wurden. Dies bedeutete 1 Jahr
und 6 Monate Arbeitslager. Zitat aus der Zeugenbefragung: "Stroh war der gemeinste und brutalste Nazi von
Sprendlingen." Er musste am 19.04.1949 seine Strafe im Darmstädter Arbeitslager antreten. Am 31.03.1950 wurde ihm die restliche
Lagerhaft (= ca. 6 Monate) per Gnadenerweis erlassen. Quelle: HHStAW 520/05, 26597. Karl Johann Stroh verstarb am 23.1.1966 in Langen.
In diesem Artikel wurde mit Karl Johann Stroh ein verbrecherischer, verurteilter SA-Mann bewusst mit seinem Namen benannt. 57 Jahre
nach seinem Tod ist dies formal unproblematisch (Auskunft des Staatsarchivs Darmstadt). Auch der 1940 verstorbene NSDAP-Ortsgruppenführer Johann Philipp Schäfer*, der das Benzin mit einem
Streichholz angezündet hatte, wird hier erstmals mit seinem vollen Namen erwähnt. In den meisten Publikationen über die Aufarbeitung der Reichspogromnacht in den 1980er Jahren blieben die Täter
namenlos, obwohl bekannt. Eine falsche Rücksichtnahme?
Anmerkung: Das im Urteil gegen Karl
Johann Stroh genannte Datum des 9. September muss hinterfragt werden:
Der Führer der SA-Brigade 50 (Starkenburg) Karl Lucke erhielt am 10.11.1938 gegen 3
Uhr folgende Anweisung: "Auf Befehl des Gruppenführers sind sofort innerhalb der Brigade 50 sämtliche jüdische
Synagogen zu sprengen oder in Brand zu setzen. Nebenhäuser, die von arischer Bevölkerung bewohnt werden, dürfen nicht beschädigt werden. Die Aktion ist in Zivil auszuführen. Meutereien oder
Plünderungen sind zu unterbinden. Vollzugsmeldung bis 8.30 Uhr an Brigadeführer oder Dienststelle." Daraufhin informierte er gegen 4 Uhr die
SA-Standartenführer in seinem Zuständigkeitsbereich, auch den der SA-Standarte 168 in Offenbach, Otto Bode. Dieser versammelte gegen 10 Uhr die Ortsgruppenleiter der einzelnen Gemeinden und gab
ihnen die Anweisung wie zu verfahren sei. (Literatur: A. Kurth, O. Schlander: Der Kreis Offenbach und das Dritte Reich).
Anhang 1: Restitutionsbemühungen
Die jüdische Gemeinde musste ihr Synagogengrundstück von 215 qm zu einem Preis von 200 RM an
die Gemeinde Sprendlingen verkaufen. Dieser Betrag wurde aber nicht ausgezahlt, sondern für den Abbruch der Synagogenruine benutzt. Dies erfolgte am 22.11.1938 (wobei ein Arbeiter durch einen
Unfall verletzt wurde). 1941 wurde das Synagogengrundstück geteilt und von der Gemeinde an die Besitzer der Grundstücke Hauptstraße (damals: Straße der SA) 29 und 33 für 3 RM/qm verkauft
(Stadtarchiv Dreieich). Der östliche Teil des gemeindeeigenen Apothekengartens wurde ebenfalls an die Besitzer das Hauses 33 verkauft (Zufahrt zur Rathausstraße). Diese wurden verpflichtet,
die noch vorhandenen Baulichkeiten zu beseitigen.
Im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden ist die Kopie eines Vergleichs zwischen
den Besitzern des Hauses 33 und der Jewish Restitution Successor Organization (JRSC) aufbewahrt, nach dem Rückerstattungsansprüche gegen eine Zahlung von 400
DM abgegolten sind (HStAW 518, 1379). Aus einem anderen Schreiben des JRSC können die Brandversicherungswerte entnommen werden: Synagoge = 5.140 RM, Schulhaus = 690 RM, Bad = 860 RM. In
einem weiteren Schreiben des JRSC an die Entschädigungsbehörde in Frankfurt vom 7.10.1959 werden die Gebäudeschäden mit 40.036 DM, die Inneneinrichtung mit 21.750 DM und die Kultgegenstände mit
60.350 DM, zusammen also 122.136 DM angegeben. Die Wertermittlungen sind sehr detailliert dargestellt (s. Anlage 3). Aus den Unterlagen geht nicht hervor, ob diese Entschädigungsforderungen im Einzelnen akzeptiert wurden. In einem am 16.9.1960 datierten Schreiben wurde vom
JRSC für die Pogromschäden im Land Hessen ein Anspruch von knapp 95 Millionen DM gestellt.
Aus den Unterlagen des
Wiesbadener Archivs geht weiterhin hervor, dass es sich bei den anderen beiden Gebäuden auf dem Grundstück um ein kleines Schulhaus sowie um ein rituelles Frauenbad handelte. In dem Buch
"Die Sprendlinger Juden" ist ein Grundstücksplan aus dem Jahr 1909 abgebildet (aus dem Baugesuch der Gemeinde für die Apotheke), in dem das Frauenbad, aber nicht das
Schulgebäude eingezeichnet ist. Es kann spekuliert werden, ob die Mikwe in der Hellgasse aufgegeben wurde, nachdem die Synagoge zusammen (?) mit dem Frauenbad im Jahr 1831 errichtet worden
war.
In dem JRSC Schreiben vom 7.10.1959 ist neben dem Grundriss des Schulhauses auch eine Skizze der Inneneinrichtung der Sprendlinger Synagoge abgebildet, die auf Basis von Zeugenaussagen erstellt worden war (rechts). Es gab dort 36
Sitzplätze für erwachsene Männer, 8 für Kinder und 21 für Frauen auf der Empore.
Diese Skizze unterscheidet sich deutlich von der Abbildung in dem Buch "Die Sprendlinger Juden" (links), die ebenfalls auf
Auskünften von Zeitzeugen beruht. Nach der JRSC-Skizze müssten die linke und die rechte Tür der Synagoge nur Scheintüren gewesen sein. Die Treppe zur Frauenempore ist dort realistischer
eingezeichnet. Aus Dokumenten des Sprendlinger Stadtarchivs ist zu entnehmen, dass es auf dem Grundstück zwei "Klosets", ein Pissoir und eine Jauchegrube gab.
In dem Schreiben der JRSC wird explizit die Zerstörung des Frauenbades und des Schulhauses
erwähnt: "Beide Gebäude wurden durch die SA und andere nationalsozialistische Gruppen ausgeplündert und in einem Grad
zerstört, der diese beiden Gebäude nur als Ruinen übrig ließen." Allein für das Frauenbad wurden Entschädigungsansprüche von 6.064 DM erhoben,
zusätzlich 5000 DM für die bade-spezifische Inneneinrichtung. Dies war nicht korrekt, da das Gebäude bereits 1936 nicht mehr als Badehaus diente und wahrscheinlich 1938 abgerissen wurde, um den
Zugang zum Synagogengrundstück zu gewährleisen. Das war 1959 nicht bekannt, ebenso, dass eine Reihe von Kultgegenständen aus der Synagoge gerettet werden konnten (Thorarolle, Leuchter,
Thoraschrein-Vorhang).
Anlage 2: Die Nachkriegssynagoge in Sprendlingen (1946 - 1950)
verfasst von Hans Ludwig Schäfer, ergänzt von Wilhelm Ott
Nach dem Ende des II. Weltkrieges 1945 ließen sich auch in der Gemeinde Sprendlingen wieder jüdische Mitbürger
nieder (s. Namensliste). Zu diesen war ein Überlebender des Holocaust aus Langen
gestoßen, der in seine Heimat zurückgekehrt war. Sie bildeten die jüdische Gemeinde Sprendlingen-Langen. Zum Vorsteher der Gemeinde wurde der aus Langen stammende und
Holocaust-Überlebende Wilhelm Kahn gewählt. Die Gruppe stellte die Forderung an die Verwaltung, ihre religiösen Handlungen in angemessener Form ausüben zu können. Die zuständige militärische
Verwaltung (Standortkommandantur) befand sich damals in der Villa Schott in der Darmstädter Straße. Ob auf einen Antrag hin oder deren freie Entscheidung, zugewiesen wurden der Gruppe die Gebäude
Hauptstraße 1/Ecke Herrnröther Weg (Haus des Zigarrengeschäftes Keim) und Hauptstraße 1 A (nachmaliges Textilgeschäft Herdt). Diese Grundstücke waren ursprünglich Eigentum des Emanuel
Pappenheimer und standen seit 1940 als von Juden konfisziertes Vermögen unter der Obhut des Finanzamtes Langen. Wilhelm Kahn als Vorsteher der neuen Gemeinde beauftragte den Langener Architekten
Hans Kleinert mit der Instandsetzung der Gebäude und der Einrichtung eines Betsaales. Aus dem Erläuterungsbericht des Architekten Kleinert vom 06. Juni 1946, der sich vermutlich
an die amerikanische Militär-Regierung richtete, geht hervor, dass dieser nach Inspektion der Gebäude feststellte, dass beide Gebäude
sich in einem denkbar schlechten Zustand befänden. Er empfahl daher, das Eckgrundstück an den Zigarrenkaufmann Keim zu verkaufen, weil dieser aus Verträgen von 1933 respektive 1938 das
Vorkaufsrecht für das Haus besaß. Die Bilder rechts zeigen beide Gebäude im Vor- und Nachkriegszustand.
Wie aus einem Schreiben der Stadt Sprendlingen vom 06.01.1949 hervorgeht, hatten die Städte Sprendlingen und Langen sich 1946
bereiterklärt, das Haus Hauptstraße 1 A auf eigene Kosten herzurichten, was unter der Leitung des Stadtbauamtes Sprendlingen auch erfolgte. Am 24.05.1948 beschwerte sich die Stadt bei dem Amt für
Vermögensverwaltung, dass die jüdische Gemeinde eine Klosettanlage hat herstellen lassen und die Kosten von 1416,55 RM nicht bezahlen wolle. Wilhelm Kahn, der zum Zeitpunkt dieses
Schreibens bereits nach Amerika ausgewandert war, hatte den Architekten Klein mit Arbeiten an der Synagoge beauftragt. Die Stadt Sprendlingen weigerte sich, auch die Rechnung des Architekten
über einen Betrag von 147,90 DM zu begleichen. Der Rechtsanwalt der Jüdischen Gemeinde musste die Stadt Sprendlingen mit deutlichen Worten darauf aufmerksam machen, dass die Synagoge in
Sprendlingen unter Duldung der Polizei zerstört wurde und dass jetzt die Stadt verpflichtet sei, für alle Kosten der Errichtung eines neuen jüdischen Gotteshauses aufzukommen habe. Wie der Streit
ausgegangen ist, darüber schweigen die Akten. Die jüdische Gemeinde löste sich wegen Wegzugs der Gemeindemitglieder um 1950 auf. 1951 wurde das Gebäude an den Textilhändler Karl Herdt
verkauft.
Anlage 3: Verlegung des Eingangs zum Synagogengrundstück (1936 - 1938)
Stadtarchiv Sprendlingen XIII 3.2.7
Der Eingang zum Synagogengrundstück verlief von der Hauptstraße durch die Toreinfahrt mit den markanten
Sandsteinsäulen über das Grundstück Hauptstraße 29. Es war dort eine alte Grunddienstbarkeit zugunsten der Jüdischen Gemeinde eingetragen. Die Hofreite Hauptstraße 29 gehörte bis 1936 der
Gemeinde Sprendlingen (Gemeindekasse), bis sie an den Apotheker König verkauft wurde. Die gemeinsame Nutzung der Einfahrt und des für die Hausbewohner zugänglichen Hofes der Synagoge sorgte für
Ärger. Die Jüdische Gemeinde beschwerte sich bei dem Bürgermeister über die dortigen unwürdige Zustände. Der Gemeinderat unterbreitete den Vorschlag, den Eingang zum Synagogenhof in die
Rathausstraße zu verlegen. Das lehnte die jüdische Gemeindeversammlung ab. -->Hier ist eine Transkription der Korrespondenz.
Nachdem das Gebäude 1936 verkauft wurde, drängte der neue Besitzer auf die alleinige Nutzung der Einfahrt. Die Gemeindeverwaltung machte daher der jüdischen Gemeinde am
15.11.1935 erneut den Vorschlag, den
Eingang zum Synagogengelände in die Rathausstraße zu verlegen. Sie bot an, einen 3 Meter breiten Geländestreifen am Ende des
gemeindeeigenen Apothekengrundstücks abzugeben, der dann als neuer Zugang zur Synagoge dienen sollte. Das ehemalige Judenbad könne dann als Eingangshalle verwendet werden. Der jüdische
Gemeindevorstand sah den Vorschlag als nicht annehmbar an, weil das als Judenbad bezeichnete Gebäude nicht entbehrt werden könne, da es als Aufbewahrungsraum für Mobiliar und
Kultgegenstände diene. Zudem sei die Jüdische Gemeinde in einer wirtschaftlichen Notlage (s. Transkription des Schreibens). Die
Verhandlungen zogen sich hin, bis der Gemeindevorstand damit einverstanden war, ein Wegerecht als Grunddienstbarkeit für den im obigen Plan mit "C" benannten Geländestreifen zu akzeptieren.
Dies erfolgte am 22.4.1938. Dafür wurde die Grunddienstbarkeit auf dem Grundstück Hauptstraße 29 aufgehoben.
Was mit dem ehemaligen Badehaus geschah, wird in den Akten nicht erwähnt. Theoretischerweise müsste es niedergelegt worden sein,
weil sonst ein Zugang zum Synagogengrundstück nicht möglich gewesen wäre. Die niedergebrannte Synagoge wurde zwischen dem 18.11 und dem 1.12. 1938 abgerissen. In einem Schreiben an das
Amtsgericht Langen ("Verkauf von Gemeindegrundstücken") wird berichtet, dass das auf dem früheren Synagogengelände stehende Gebäude (Singular) mitverkauft wurde. Es handelte sich dabei sicherlich
um das ehemalige Schulhaus. Das Badehaus wurde nicht erwähnt, da es offensichtlich zwischen dem 22.04.1938 und dem 09.11.1938 bereits beseitigt wurde, um die Zufahrt zum Synagogengelände zu
gewährleisten.
1. Bild: Eingangsbereich der Sprendlinger Synagoge (© Hans Ludwig Schäfer und Wilhelm Schäfer)
2. Bild: Hauptstraße 29 mit der Einfahrt zur Synagoge und den Torsäulen, die jetzt am Jüdischen Friedhof stehen.
3. Bild: Luftbild Hauptstraße um 1935 mit Synagoge (gelbes Oval) und Synagogenzufahrt (roter Pfeil)
4. Bild: ein weiteres Luftbild, in dem die Fenster der Synagoge zu erkennen sind.
5. Bild: So könnte das Innere der Sprendlinger Synagoge ausgesehen haben.
Im Hessenpark wurde die ehemalige Synagoge von Nentershausen wieder aufgebaut. Sie dürfte von Größe und Ausstattung der in Sprendlingen ähnlich sein. Das Bild aus dem Hessenpark wurde horizontal gespiegelt und mit dem perspektivisch angepassten Thoraschreinvorhang versehen. Die Sprendlinger Synagoge hatte einen Mittelgang, die aus Nentershausen zwei Seitengänge. In beiden Synagogen gab es eine Frauenempore mit separatem Eingang. Die Sprendlinger Synagoge dürfte 1938 nicht in einem frisch renoviertem Zustand gewesen sein. Trotzdem gibt das manipulierte Bild einen Eindruck, wie das Innere der Sprendlinger Synagoge ausgesehen haben könnte.