Zwischen dem alten und dem neuen Teil des allgemeinen Friedhofes am Lacheweg liegt der Eingang zum 1831 eingeweihten und von einer Bruchsteinmauer umgebenen Sprendlinger Judenfriedhof. Auf dem 1038 qm großen Gelände stehen über 100 Grabsteine. Diese sind in künstlerischem wie in kulturellem Sinn für Sprendlingen Zeugnisse der Vergangenheit, die durch das ewige Ruherecht der Juden erhalten geblieben sind.
Vom Tor her kommend erkennt man links das renovierte Totenwaschhaus mit einem neuen Brunnen, das Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sprendlinger Juden, drei neuere Gräber aus den Jahren 1986, 2010 und 2024, drei im Jahr 2015 gesetzte flache Grabplatten und dahinter die 100 Vorkriegsgrabsteine.
Am Anfang der Belegung des Friedhofes war es Brauch, die Grabsteine am Kopfende und später am Fußende des Grabes aufzustellen. Sie durften niemals mit einem tiefgehenden Fundament innerhalb des eigentlichen Grabes versehen werden. Die Juden bestatteten ihre Toten immer mit dem Blick nach Osten, in Richtung Jerusalem.
Viele der älteren Grabsteine bestehen aus rotem Sandstein, haben eine geringe Dicke und weisen oftmals einen spezifisch gestalteten Kopf auf. Diese Form versinnbildlicht vielleicht die aufgeschlagenen Gesetzestafeln Moses. Die Inschriften auf den Grabsteinen sind zum Teil in hebräischer Sprache eingemeißelt und enthalten oft Abkürzungen. Sie verzeichnen meist den Namen des Beerdigten, den Todes- und Beerdigungstag. Das Geburtsdatum anzugeben, war früher nicht Sitte. Aus religiösem Empfinden heraus schien nicht die Lebensdauer von Wichtigkeit, sondern das sittliche Tun während des kurzen Aufenthalts auf dieser Welt. Die Inschriften sind nicht nur für die Historie der Sprendlinger Juden von Bedeutung, sie sind auch wertvolle Dokumente für die Geschichte unseres Ortes.
Die jüdische Gemeinde Sprendlingen gehörte ursprünglich zum Friedhofverband Offenbach. Diesem Verband gehörten u. a. auch die Orte Dreieichenhain, Götzenhain und Offenthal an. Die Begräbnisstätte befand sich in der Großen Hasenbachstraße in Offenbach, der heutigen Bismarckstraße, und wurde 1725 angelegt. Die vor 1725 verstorbenen Juden wurden vermutlich auf dem jüdischen Friedhof von Bürgel beigesetzt. Zwischen den Jahren 1857 - 1860 wurde der Friedhof in der Großen Hasenbachstraße geschlossen, und es entstand innerhalb des allgemeinen Friedhofes in der Offenbacher Friedhofstraße eine neue Begräbnisstätte.
1831 legte die jüdische Gemeinde in Sprendlingen ihren eigenen Friedhof an. Hier wurden ab 1872 auch die verstorbenen Juden aus Dreieichenhain, Götzenhain und Offenthal beigesetzt. Von 1875 an hatten diese drei Orte einen eigenen Friedhof in Dreieichenhain. Auf dem jüdischen Friedhof in Sprendlingen sind ca. 180 - 200 Personen beigesetzt worden.
Die drei flachen Sandsteinplatten markieren die Gräber von drei im Jahr 1938 verstorbenen Personen, für die damals keine Grabsteine gesetzt werden durften. Während des Krieges wurden auf dem
Sprendlinger Friedhof keine Grabsteine umgeworfen oder zerstört. Nach dem Krieg fanden zwei Beisetzungen statt. Dr. Maria Weisberg geb. 1912 lebte von 1974 bis zu ihrem Tod 1986 in Sprendlingen.
Ihr Ehemann, verstorben 1966, wurde in Israel bestattet (Information von Dr. Elvira Groezinger, ihrer Tochter). Dr. János Paál (1916 - 2010) war Psychiater und Psychotherapeut. Er lebte mit seiner Frau Ingrid in Buchschlag.
Am 27.05.2024 wurde Frau Marieta Brandes
auf dem Friedhof bestattet.
Am 9.11.2016 wurde im Rahmen der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht eine Informationstafel über die 1935 in Sprendlingen lebenden Juden der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Tafel steht am Eingang des Jüdischen Friedhofs, eingerahmt von zwei historischen Torpfosten. Diese Pfosten standen beidseits des Tores an der Hauptstraße, das sich zur Synagoge öffnete, die auf einem Hinterhofgrundstück stand. Die Sandsteinplatte davor stammt von der ehemaligen Kanzel der Erasmus-Alberus-Kirche.
Die Fotos der Grabsteine wurden im März 2018 aufgenommen. Die Zahlen beziehen sich auf den Belegungsplan, der in der Publikation "Die Sprendlinger Juden" der Freunde Sprendlingens abgedruckt.
Der Jüdische Friedhof in Sprendlingen - eine Fotodokumentation
Grab 106: Marieta Brandes (1942 - 2024)