Die zehn Gravamina an Pfarrer Lantz zu Sprendlingen: Eine Geschichte von Erpressung, Diebstahl und Untreue
1727 tritt ein unangenehmer Zeitgenosse in Sprendlingen seine Pfarrerstelle an: Philipp Burckhard Lantz. Der halsstarrige Mann brachte das Kirchenvolk mit seiner unchristlichen Habgier komplett gegen sich auf und landete am Ende vor Gericht. Die Urteilsschrift liegt nun in einer Transkription von Wilhelm Schäfer vor. Wilhelm Schäfer arbeitet ehrenamtlich seit 2018 im Archiv des Dreieicher Rathauses. Er ordnet und sortiert seitdem die sogenannten Konvolute – gebündelte Dokumente – zur Stadtgeschichte. Dabei stieß er im Februar 2018 auf den „Fall Lantz“, die Dokumentation von zehn sogenannten Gravamina (Altlatein: Vorwürfe) des Fürsten zu Isenburg und Büdingen in Birstein. Schäfer machte die rund 30seitige, wunderschöne Handschschrift mit einer Transkription seiten- und zeilengerecht Wort für Wort für uns lesbar. Die gut aufgemachte Broschüre ist im Stadtarchiv Dreieich zum Selbstkostenpreis von 8 € zu erwerben. Mit einem Klick auf die Abbildung ist dieses Dokument mit der Transkription (in reduzierter Auflösung, 11 MB) aufzurufen. Des besseren Verständnisses wegen hat er zusammen mit Wilhelm Ott einen erklärenden Text verfasst, der am Ende des Dokumentes angefügt ist. In einem weiteren Dokument sind Erläuterungen zu jeder Beschwerde in den Text der Transkription integriert.
1745 stand Pfarrer Burckhard Lantz aus Sprendlingen aufgrund von Beschwerden seiner Gemeindemitglieder vor Gericht. Aufgrund weiterer Beschwerden setzte Wolfgang Ernst Fürst zu Isenburg und Büdingen aus der Birsteiner Linie eine Kommission ein, die sämtliche Vorwürfe klären sollte. Dem Pfarrer wurden u. a. Unterschlagung von Spenden und Almosen, Erpressung von unerlaubten Gebühren für kirchliche Dienstleistungen (Abendmahl, Taufe, Heirat, Leichenpredigten), Beschädigung der Kirchenmauer und Störung der Totenruhe vorgeworfen. Auf Basis der Erkenntnisse der Kommission erstellten der Fürst bzw. dessen Amtsleute eine Liste von zehn „Gravamina“ (Beschwerden) zusammen und verkündete die entsprechenden Strafen. Die Beschwerden selbst sind in dem Dokument nicht enthalten, sie können aber daraus abgeleitet werden. Für alle Vergehen wurde Pfarrer Lantz zu einer Geldstrafe von 302 Taler oder 150 Gulden verurteilt. Das war eine relativ hohe Strafe, die sicherlich in der Größenordnung seines Jahressalärs lag.
Der Journalist Hans Obermann hat die Geschichte des Pfarrers Lantz 1966 in einem Artikel der Offenbach-Post spannend aufbereitet. Er berichtete von einem Eintrag im Kirchenbuch, dass Pfarrer Lantz 20 Jahre gegen seine Gemeinde prozessiert habe. Er sei von Gemeindemitgliedern bestohlen und misshandelt worden. In seiner Anklageschrift sprach Lantz von der „Pfarrermörderei zu Sprendlingen“. Ob das Verhältnis zu seiner Gemeinde sich nach der Urteilsverkündung und der hohen Strafen verbessert hat, wissen wir nicht. Immerhin blieb er noch bis 1755 Pfarrer in Sprendlingen.