Über "Einstmalige Streitigkeiten zwischen den Hainern und Sprendlingern" im Jahr 1606 berichtete das Langener Wochenblatt am 21. Januar 1882. Es handelte sich um eine -aus heutiger Sicht- etwas skurrile Auseinandersetzung über tatsächliche oder vermeintliche Rechte zur Forst- und Weidenutzung, sowie über den Spruch des angerufenen Gerichtes. Heinrich Runkel veröffentlichte um 1978 mit Unterstützung der Freunde Sprendlingens eine Broschüre mit dem Titel "Der ewige Baum" (die in der in der Stadtbücherei Dreieich verfügbar ist). Er beschreibt darin das Dokument aus dem Jahr 1606, in dem dieser Rechtsstreit dargestellt wurde. Die Ausführungen von Heinrich Runkel und die Transkription des Dokumententextes sowie einige Abbildungen sind ebenfalls abrufbar. Viel Vergnügen beim Lesen!
Es geht in dem Dokument darum, dass die Sprendlinger damals das Recht beanspruchten, jährlich im Hainer Wald einen Baum zu fällen, ihn meistbietend zu versteigern und den Erlös zu vertrinken. Dieses Recht wurde irgendwann geändert, indem der Baum im isenburgischen Forstrevier (später Staatsforst) geschlagen und versteigert werden konnte. Der Erlös wurde nicht mehr vertrunken, sondern ging in die Sprendlinger Gemeindekasse. Im Stadtarchiv Dreieich sind Dokumente vorhanden, aus denen hervorgeht, dass der "ewige Baum" noch 1933 versteigert wurde.
Der Journalist und Regisseur Hans Obermann nahm 1992 dieses Geschehen aus dem Jahr 1606 zur Grundlage eines Theaterstücks "Wie die Sprendlinger den Haanern die Kühe klauten", das mit großem Erfolg am Lindenlatz in Sprendlingen aufgeführt worden ist. Im Jahr 2017 wurde im Rahmen von "40 Jahre Dreieich" dieser Nachbarkonflikt mit versöhnlichem Ausklang erneut auf die Stufen der Alberus-Kirche gebracht. Lesen Sie -->hier einen Bericht aus der OP-Online.
Die Urkunde vom „Ewigen Baum“ aus dem Jahr 1606
Heinrich Runkel, um 1978
Als ich in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg 1939 - 1945 in dem Archiv der Gemeinde Sprendlingen nach Schriftstücken suchte, die für die Ortsgeschichte von Sprendlingen bedeutsam sein könnten, machte mich Herr Rudolf Jungmann, der damals neben seinen eigentlichen Dienstobliegenheiten das Archiv mitbetreute, auf diese Urkunde aufmerksam.
Sie befand sich in keinem guten Zustand, war zusammengefaltet und so spröde, daß man sie nur mit großer Sorgfalt aufklappen durfte. Durch Vermittlung von Herrn Jungmann hat sich die Firma Holzhäuser & Mülhause um die Festigung des Urkundenmaterials bemüht.
Die Urkunde konnte wegen ihrer Größe (50 * 50 cm bzw. 54 cm bei aufgeklapptem unteren Rand) nicht in dem Faszikel, in den sie der Ordnung nach gehörte, aufbewahrt werden. In der zugehörigen Mappe lag ein Hinweis auf die gesonderte Aufbewahrung. Diese Mappe enthielt auch einen Versuch der Übertragung des Urkundeninhalts in lesbare Schrift.
Einige Jahre später wurde das Archiv in den Keller verlegt und dann von fachkundiger Hand geordnet. Wegen ihrer Größe erhielt die Urkunde einen Platz im untersten Gefach eines Blechschrankes. Dieser Aufbewahrungsort erwies sich als nicht günstig, denn nach einem Unwetter mit Hochwasser bekamen auch die Rathauskeller ihr Teil ab: Als ich mir die Urkunde wieder ansah, war sie im unteren Teil noch feucht und etwas schimmelig. Diese Umstände waren der Anlaß, die Stadtverwaltung um die Genehmigung zu bitten, die Urkunde zur Konservierung geben zu dürfen. Ich brachte die Urkunde zum Frankfurter Stadtarchiv, weil ich dorthin gute Verbindung hatte. Sie wurde dort mit aller Sorgfalt behandelt und bekam einen Schutzüberzug. Vor der Ablieferung habe ich die Urkunde (insgesamt und in kleinen Ausschnitten) mit den mir damals zur Verfügung stehenden Mitteln photographiert. Von den Aufnahmen aus dieser Zeit rühren die nachfolgenden Bilder.
Früher war die Schrift dieser Urkunde recht gut lesbar, außer an manchen Knickstellen, an denen sich die Schrift durch das Falten abgelöst hat. Heute ist die Urkunde stark vergilbt. Sie dunkelt anscheinend immer mehr. So ist an manchen Stellen die Schrift kaum noch lesbar. Zahlreiche Versuche, die Urkunde mit perfekter photographischer Einrichtung aufzunehmen und in allen Teilen klare Bilder zu gewinnen, scheiterten. Die Bilder befriedigten noch weniger als die hier dargebotenen.
In den letzten Jahren war die Urkunde im Strudel der Sprendlinger Stadtverwaltung untergegangen. Trotz eindringlicher Bitten, die Suche nach dem verlorenen Stück nicht aufzugeben, zeigte sich kein Erfolg. Schließlich wurde sie überraschend im Frühjahr 1977 wiederentdeckt.
Ihr Text wurde an Hand des vorhandenen Deutungsversuchs nach Überprüfung und Ergänzung schriftlich festgehalten, wobei zu bemerken ist, daß immer noch kleine Unklarheiten infolge schlechter Lesbarkeit bestehen.
Es wäre zu wünschen, daß diese Urkunde ihren Platz im Dreieichmuseum fände, wo sie zur allgemeinen Besichtigung ausgestellt werden könnte. Z.Zt. wird sie noch in einem eigens für ihre Aufbewahrung angefertigten Pappkarton aufgehoben.
Über ihren Inhalt wurde am 21. Januar 1882 im "Langener Wochenblatt" ausführlich berichtet. Diese Ausführungen sind nachfolgend vollständig wiedergegeben. Das Blatt mit diesem Aufsatz stellten mir freundlicherweise die Eheleute Rupp-Werner (Langen) für die Ergänzung meiner Notizen zur Verfügung. Die möglichst wortgetreue Wiedergabe des Textes ist anschließend an die Abbildung der Urkunde beigefügt, und zwar zeilenrichtig.
Die weiteren Abbildungen (Ausschnitte) sollen die ungeheure Mühe und Sorgfalt vor Augen führen, die der Urkundenschreiber für die schmückenden Verzierungen der Initialen und das üppige Ornament am linken Rand aufgewendet hat. Auch soll ein Eindruck von der damaligen Amtsschrift vermittelt werden.
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Bericht im "Langener Wochenblatt" vom 21. Januar 1882
Vor Zeiten geschah es viel häufiger als jetzt, daß Nachbargemeinden mit einander stritten und sich bekämpften. Dies kam daher, weil man sich früher viel auf Herkommen und Rechte berief, die nirgends aufgezeichnet, sondern nur mündlich überliefert, mitunter aber auch Jahre lang gar nicht, oder nicht in ihrem ganzen Umfange ausgeübt worden waren. In den Landgemeinden waren es meistens die Waldnutzungs-, besonders aber die Weidgerechtsame, welche den Zankapfel bildeten.
So behaupteten denn auch die Sprendlinger zu Anfang des 17. Jahrhunderts, in dem Hainer Bürgerwalde, das ist der an der Frankfurter Straße liegende Theil des Dreieichenhainer Gemeindewaldes, je um das andere Jahr durch ihre "jungen Knechte und Mägde” (Burschen und Mädchen) einen Baum fällen, verkaufen und den Erlös dafür vertrinken zu dürfen. Dieses Recht nannte man "Ewenholz" oder "Ewigen Baum". Ursprünglich hieß es: "Ehiger Baum", das ist Rechtsbaum, was so viel sagen soll als: Der Baum oder das Holz, das man nach altem Rechte zu beanspruchen habe.
Die Hainer aber bestritten dieses Recht, gaben wohl zu, daß es früher bestanden, die Sprendlinger hätten aber auf das Ewenholz längst verzichtet und erklärt, statt dessen mit einem Viertel Wein sich begnügen zu wollen.
Die Sprendlinger widersprachen dies und sagten, sie hätten sich zwar aus freiem Willen und nachbarlicher Freundschaft etliche Mal mit einem oder zwei Vierteln Wein abweisen lassen, aber ein Recht sei daraus nicht geworden.
Da hat dann die Hainer Bürgerschaft eingewendet, sie seien ja auch berechtigt, den Sprendlinger Wald und Feld, die "Rostatt" genannt, mit ihren Viehe zu betreiben, namentlich zu Eckern-Zeiten (d.h. wenn es Eicheln oder Bucheln gibt), in denen sie nicht in die Wälder dürften, das Sprendlinger Stoppelfeld für ihre Herde zu benützen.
Als die Hainer von diesem Rechte einmal Gebrauch machten, nahmen ihnen die Sprendlinger vier Kühe ab und verkauften sie für 45 Gulden, traten überdies klagend auf und brachten die Hainer in Strafe und Kosten von zusammen 200 Gulden.
Überdies behaupteten die Sprendlinger, ein altes Herkommen berechtige sie, der Hainer Bürgerwald mit ihren Ochsen zu betreiben, was von den Hainern durchaus nicht zugestanden wurde.
Die Sache kam abermals zur Klage, wobei die Hainer nebenbei noch den Ersatz der s.Z. von ihnen bezahlten Strafe und Kosten und um Bestätigung ihres Rechtes in der Sprendlinger Rostatt verlangten. Die Sprendlinger baten um Abweisung der Klage, und Anerkennung ihres Rechtes im Hainer Bürgerwald.
Zur Schlichtung dieser Streitigkeiten wurden dann die Vertreter beider streitenden Gemeinden auf den 11. Dezember des Jahres 1606 vor die versammelten Isenburgischen und Hanau- Lichtenbergischen Räthe nach Hain der Dreieich auf das Bürgerhaus beschieden und die über 40 Jahre gewährten Irrungen "durch die Gnade Gottes heimgetaget und verglichen", nämlich dahin, daß die Hainer mit ihrem Viehe der Rostatt sich zu enthalten und auf Ersatz der Strafe und Prozeßkosten, so wie des Werthes der ihnen abgenommenen Kühe zu verzichten hätten. Dagegen müßten die Sprendlinger mit ihrem Viehe aus dem Hainer Bürgerwald bleiben, auch ihres Rechtes auf das Ewenholz oder das was ihnen vor Zeiten statt dessen entrichtet oder bewilliget worden wäre, entsagen. Weil aber die Sprendlinger "junge Knechte und Mägde" zum Bezug des Ewenholzes von alten Zeiten her befugt gewesen seien, solle die Gemeinde Sprendlingen aus ihrer Kasse und mittelst des Erlöses von den den Hainern
Zur Schlichtung dieser Streitigkeiten wurden dann die Vertreter beider streitenden Gemeinden auf den 11. Dezember des Jahres 1606 vor die versammelten Isenburgischen und Hanau- Lichtenbergischen Räthe nach Hain der Dreieich auf das Bürgerhaus beschieden und die über 40 Jahre gewährten Irrungen "durch die Gnade Gottes heimgetaget und verglichen", nämlich dahin, daß die Hainer mit ihrem Viehe der Rostatt sich zu enthalten und auf Ersatz der Strafe und Prozeßkosten, so wie des Werthes der ihnen abgenommenen Kühe zu verzichten hätten. Dagegen müßten die Sprendlinger mit ihrem Viehe aus dem Hainer Bürgerwald bleiben, auch ihres Rechtes auf das Ewenholz oder das was ihnen vor Zeiten statt dessen entrichtet oder bewilliget worden wäre, entsagen. Weil aber die Sprendlinger "junge Knechte und Mägde" zum Bezug des Ewenholzes von alten Zeiten her befugt gewesen seien, solle die Gemeinde Sprendlingen aus ihrer Kasse und mittelst des Erlöses von den den Hainern Wie die Sprendlinger ...abgepfändeten Kühen, welche genau genommen, doch hätten zurückerstattet werden müssen, sie schadlos halten.
Zum Schlusse wurden die Gemeinden ermahnt, künftighin in Frieden und Freundschaft miteinander zu leben, und vertrauliche Nachbarschaft zu halten, welcher Ermahnung man, wie es scheint, von dieser Zeit an auch getreulich nachgekommen ist.
-->Hier ist die zeilenkorrekte Transkription der Urkunde von 1606 abrufbar.