Buri: Behauptete Vorrechte ...

1744 verfasste Friedrich Karl von Buri im Auftrag der Ysenburger Grafen seine berühmte Streitschrift "Behauptete Vorrechte derer Alten Königlichen Bann-Forste".  Es geht darin um die Auseinandersetzungen zwischen der Reichstadt Frankfurt und den Isenburger Landesherren um vermeintliche Rechte im ehemaligen Wildbann Dreieich und hier insbesondere im Frankfurter Stadtwald. Das 460 seitige Buch ist online einsehbar.

Im Nachlass eines Sprendlinger Bürgers, der den Freunden Sprendlingens überlassen wurde, war ein Artikel aus der Offenbach-Post vom 6. Februar 1970 zu finden, dessen Autor mit „mb“ gekennzeichnet wurde. Er handelt von dem Buch des Ysenburgischen Juristen Buri aus dem Jahr 1744 über die Auseinandersetzungen zwischen dem Grafen von Ysenburg und der Stadt Frankfurt. Der Autor hat kenntnisreich einige interessante Aspekte aus diesem Buch aufgegriffen, die einen Einblick in das Denken und Handeln der Amtsträger von vor fast 300 Jahren in unserer Heimat geben. Der Artikel ist es wert, erneut publiziert zu werden. Die Überschrift des Originalartikels lautet „Dreieich contra Frankfurt“, was nach der Gründung der Stadt Dreieich eine andere Konnotation besitzt. Es gibt verschiedene Ausgabe des Buchs mit unterschiedlich gestalteten Titelseiten. Eine Ausgabe enthält auch zwei Karten des Wildbanns Dreieich, die zusammen mit dem Buch anlässlich der Ausstellung „Drey Eich, eine Landschaft auf historischen Karten“ im Oktober 2017 gezeigt wurden. Dieses Exemplar ist im Eigentum eines Mitgliedes der Freunde Sprendlingens. Ein anderes Exemplar ist im Besitz eines Bürgers aus Offenthal. Der Text aus der Offenbach-Post wurde der besseren Lesbarkeit wegen im Dezember 2018 von Wilhelm Ott transkribiert


Buris große Streitschrift: Ysenburg contra Frankfurt

Der Isenburgische Rat Friedrich Karl von Buri arbeitete in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf dem Neuhof an einer umfangreichen Streitschrift gegen die Freie Reichsstadt Frankfurt am Main. Diese Streitschrift, in welcher Buri vom Neuhof das Dreieicher Recht gegen Frankfurts Ansprüche verteidigte, ist späterhin in unserem Frankfurter Heimatraum sehr bekannt geworden. Sie enthält eine wahre Fülle von interessanten Einzelheiten; wie wir noch sehen werden auch solche über Sprendlingen. Wir haben in Darmstadts Schlossbibliothek in Buris umfangreichem Werk geblättert. Das war, wie uns scheint, recht lohnenswert, zumindest für denjenigen, der sich für die Geschichte unserer Dreieicher Heimat ein wenig interessiert.

 

Das übergroße Buch, an dem sich ein Kleinkind wohl einen Bruch heben könnte, erinnert den Beschauer an eine alte Bibel. Nicht nur, dass es über 800 großformatige Seiten in delikater Druckausführung umfasst, es ist auch sehr fein und mit erlesenem. Geschmack aufgemacht. So bietet es sich noch heute, 227 Jahre nach seinem Druck in der Hoch-Gräflichen Ysenburgischen Hof-Buchdruckerei zu Büdingen, in ansprechender Aufmachung dar. Dass der ehemals weiße Einband mit seinem Inhalt zwischenzeitlich vom Altersgelb überzogen ist, stört den Leser wenig, mehr schon der umständliche Text auf der Titelseite dieses großen Buches.

Da lesen wir nämlich: „Behauptete Vorrechte derer alten Koeniglichen Bann=Forste oder Ausfuehrung derer dem Koenigl. Forst= und Wildbann zu der Drey=Eich anklebenden Ober Herrlich= und Gerechtigkeiten und Gruendliche Erweisung daß solche sich ueber die gantze Gemarckung der Loebl. Freyen Reichs=Stadt Franckfurt am Mayn unwiedersprechlich erstrecken als eine Gegen=Beantwortung alles deßen so hierwieder in der Franckfurtischen so betitulten Beantwortung eingewandt worden. Nebst einem Beweiß- und Urkundenbuch.“ So also der vollständige Titel von Buris Streitschrift, der man vormals auch in der Kaiserstadt Frankfurt große Beachtung schenkte.

Zunächst weist Buri in einem stellenweise verschachtelten Juristendeutsch auf die Ursprünge der heimatlichen Jagd hin, nicht ohne dabei Caesars Schrift „De bello Gallico“ zu zitieren. „Diese Lust und Begierde (gemeint ist die Jagd) derer Teutschen Voelker zu denen Jagten haben selbige auch auf ihre Nachkommen fortgepflanzet" lesen wir unter § II. Dann leitet Buri zur Bedeutung der Bannforste über:

 

Diesemal darff man sich nicht verwunden, dass die Fraenckischen Koenige ueberhaupt, und Kayser Carolus Magnus insbesondere ihre Printzen eben also aufferziehen, und sie nicht allein in denen Wissenschafften und freyen Kuensten unterrichten lassen, sondern sie auch dabey zugleich zum Reiten, Fuehrung derer Waffen und zur Jagt von Jugend auff angehalten, um Sie hiedurch desto fertiger und bequemer zu denen Kriegs-Uebungen und denen damit verknuepfften vielen Beschwerlichkeiten zu machen.“

 

Buri fährt dann in § III fort: „Damit auch die Fraenckischen Koenige und Kayser diese ihnen so sehr beliebte Jagten desto besser, und mit groeßerem Vergnuegen halten und gebrauchen konnten; so haben sie hin und wieder im Reich sich ihre absonderliche Gegenden und Forste gehalten, worinnen sonsten niemanden zu jagen oder das Wildpret auf einige Weise zu stoehren erlaubet gewesen, sondern alles vor sie allein geheeget werden mußte, weshalben diese Gegenden und Waldungen auch gebannete Reichs- oder Koenigs-Forste, Forestes dominicae, Foresta Regia, Sylvae regales genannt, und mit besonderen Umstaenden und Merckwuerdigkeiten dazu errichtet, oder wie es heisset, forestiret oder geforstet wurden.“

 

Nach diesen Erklärungen folgen Literaturhinweise, und das nicht nur hier, sondern an sehr vielen Stellen. Solche Quellenhinweise auf alte Urkunden und Schriften, die einer wahren Vielzahl stellenweise in Auszügen zitiert werden, verleihen Buris Abhandlungen einen ganz besonderen Wert, gerade für uns heute; denn manche der von ihm zitierten Quelle ist zwischenzeitlich verschwunden. Insbesondere durch den letzten Krieg sind in Darmstadt, Frankfurt und auch anderswo wertvolle Urkunden und Dokumente ein Raub der Flammen geworden.

 

Buri führt dann weiter aus: „Dergleichen Koenigliche gebannte Forste wurden darauf vor heilig und gewissermaßen unverletzlich gehalten, so daß bey schwerer Straffe sich niemand mit Jagen daran vergreiffen durffte... In diesen gebanneten Koeniglichen Forsten nun pflegten die alten Fraenckischen Koenige und nachherige Kayser sich vor andern zur Herbstzeit mit Jagen zu erlustigen, und die Hirsch Faist, und darauf die Schweinhatz zu halten.“

 

Im § VIII kommt Buri auf den Wildbann Dreieich zu sprechen: „Unter anderen dergleichen...dem Heil. Roemischen Reich erhaltenen alten gebannten Reichs- und Koenigs-Forsten, ist nun insonderheit auch von uralten Zelten her der Reichs-Forst zur Drey-Eichen, einer derer Vornehmsten und Ansehnlichsten mit gewesen, dessen eigentlicher Ursprung und Anfang sich zwar in dem grauen Althertum verlieret, so viel aber kan aus denen noch uebrig gebliebenen Nachrichten mit genügsamen Grunde von demselben bezeuget werden, daß er ein ansehnliches Stueck von denen alten Reichs-Guetern um und an dem Rhein- und Mayn-Strohm aus gemacht habe.“

 

Buri berichtet dann ausführlich über die seinerzeit üblichen Wildgefälle, über das „Mayeding oder Drey-Eicher Wildbanns-Gericht“, und beschreibt die Grenzen des Wildbannes Dreieich.

 

Natürlich gilt Buris Interesse auch der Hainer Burg, denn er schreibt unter § IX: „So viel das Castrum Hayen oder Hayn anbelangt, so ist bekannt, daß dasselbe ein uraltes und vermutlich schon zu der Roemer Zeiten zu Befestigung ihrer Grentzen gegen die Teutsche angelegtes Castrum gewesen, worinnen sich biß auf diesen Tag eine in einen Stein gehauene alte Roemische Grab-Schrift befindet...“ Alsdann lässt sich Buri über die Vögte der Hainer Burg aus, über die „Advocati Imperii", wie er sie nennt, über die Wildhuben und das Langener Weistum von 1338.

Im neuen Kapitel wird die Schrift lebendiger. Unter der Überschrift „Von des Heil. Roemischen Reichs Vögten zu Muenzenberg und deßwegen mit denen Nachbarn biß anhero gehabten beschwerlichen Wildbanns-Irrungen gelangt Buri zum Kern des Streitstandes. Da gab es vormals umstrittene Rechtsansprüche im „Wildbann aller Wildbänne“, wie Professor Dr. Karl Roth (München) als einer der gründlichsten Kenner der deutschen Forst- und Jagdgeschichte den Bannforst Dreieich 1879 genannt hatte. Und das kam so:

 

Zwischen Sachsenhausen und Neu-Isenburg verlief vor mehr als 1000 Jahre eine Grenze, eine ihrer Gestaltung nach typische Urmarksgrenze, die in karolingischer Zeit den königlichen Fiskus Frankfurt, also die zur Kaiserpfalz gehörige Reichsdomäne, von dem Forst Dreieich, einem königlichen Eigenwald, trennte. Diese Grenze verstand sich zunächst als reine Verwaltungsgrenze. Erst im Jahre 1372 wurde sie zur politischen Grenze, denn in diesem Jahr erwarb der ehrgeizige Frankfurter Schultheiß Siegfried von Marpurg, genannt zum Paradies, einen beachtlichen Teil des Reichsforstes Dreieich für die Stadt, indem er das von Kaiser Karl IV zunächst an den Landvogt der Wetterau, Ulrich III von Hanau, verpfändete Schultheißenamt sowie den Rest des südmainischen Reichsforstes für 8.800 Gulden einlöste.

Da der Kaiser aber bei seinen chronischen Geldschwierigkeiten von seinem Rückkaufrecht keinen Gebrauch machen konnte, gehörte der alte Reichsforst fortan zu Frankfurts Stadtgebiet; er bildete somit die Grenze gegen das Territorium der Grafschaft-Ysenburg.

 

Um diese Grenze und die aus ihr erwachsenden Rechtsfragen geht es in Buris Schrift. Mehr noch als die Reichstadt Frankfurt wachte der Ysenburger Fürst mit Argusaugen darüber, dass sein Territorium mit allen Hoheitsrechten respektiert wurde. Seine territorialen Ansprüche, die er mit Nachdruck gegen Frankfurt am Main geltend machte, wirkten bis in Frankfurts Regionen hinein, ob zu Recht oder nicht, war oftmals umstritten. Aus solcher Rechtssituation entstand für den rechtskundigen Buri die Aufgabe, die Ansprüche seines Herrn und Brotgebers zu Ysenburg aus dem Wildbannrecht herzuleiten. So kam seine quellenreiche Fleißarbeit zustande.

 

Buri untersuchte darin beispielsweise die Fragen: „Ob das Hoch-Graefliche Hauß Ysenburg die Jagt-Gerechtigkeit in denen Stadt Franckfurtischen Waldungen und Feldern rechtmäßig hergebracht und besessen, oder einer zu Recht bestaendigen Praescription sich zu erfreuen habe“ oder „Ob das Hoch-Graefliche Hauß Ysenburg. die sich anwertende Wildbanns-Obrigkeit, und das davon abhangen sollende Bestrafungs-Recht derer in denen Franckfurter Waldungen begangenen also genannten Wild-Freveln, oder das von ihm also betitelte... rechtmäßig hergebracht.“ Über viele Seiten erstrecken sich dann jeweils die Rechtsstandpunkte („Ysenburgischer Grund"—„Franckfurtische Beantwortung" — „Ysenburgische Gegenbeantwortung“.

 

Nach 444 engbedruckten Seiten folgt der zweite Schriftteil Buris mit dem Titel „Drey Eichisches Beweiß und Urkunden-Buch, worin alle und jede in vorstehender Ausführung von dem Königl. Forst-und Wild-Bann zu der Drey-Eich angezogene Beylagen enthalten“. Jetzt wimmelt es geradezu von königlichen Urkunden, richterlichen Entscheidungen, Auszügen aus alten Dokumenten und Abhandlungen, Vergleichen, Bestätigungen, Erbteilungen, Aufstellungen, Briefen, Mandaten, Erlaubnissen und Registern.

 

 

Unter Nr. 188 finden wir übrigens die Aussage des Ysenburgischen Jägers Bärenfänger aus Sprendlingen über eine am 5. Februar 1711 „erlittene Beschimpfung“. Wir lesen:

Berichtet der alte Bernfaenger zu Sprendlingen, daß verwichenen Herbst, als er und seine Cameraden mit Zuziehung der Land-Militz die Waldung durchstreiftet, beym Riedhoff 2 Franckfurtfer mit Flinten angetroffen, nemlich den so genannten Graben-Knecht u. einen Pitschierstechers Sohn, denen sie vermoeg Herrschaftlich Befehls, die Flinten abgenommen und in den Thiergarten gelieffert. Worbey es damahls verblieben. Vor ungefähr 14. Tagen seye Ihm der Graben-Knecht uff der Sachsenhaeuser Bruecke begegnet: Wo hast du meine Buechs, du alter Schelm? Waer es nicht hier uff der Bruecken, ich wollte dich zusammenschlagen, wie ein Taschen-Messer. Worauf er ihm antwortet: Er haette keine Buechs, die sein waere, und solte er in diß und jenes Namen wegbleiben, so brauchte man ihm keine Buechs zu nehmen. Wann er ihn schlagen wolle, so solte er Ihn todtschlagen, damit er nicht mehr reden koente, sonsten wuerde sich seine Herschaft seiner gewiß annehmen, wann er sich deswegen bey Ihr beklagte. Woruff Ihme dieser wieder geantwortet: Ich habe die Bruhe von deinem Graffen, Ihr Strassen-Raeuber, und seye damit fortgangen.“

 

Unter Nr. 189 lesen wir im Anschluss daran von einem Schreiben der Ysenburgischen Räte zu Offenbach am Main an den Bürgermeister und Rat der Stadt Frankfurt am Main. Darin wird auf gräfliches Geheiß hin von Frankfurt eine Entschuldigung binnen 8 Tagen gefordert. Im anderen Fall, so gibt man gleich zu verstehen, werde man den Täter bei passender Gelegenheit am Kopf nehmen und nach Offenbach verbringen. Damit ist dargestellt, dass der Ysenburger die Beleidigung seines Sprendlinger Untertan nicht hinnehmen will. Doch Frankfurt am Main gibt sich gelassen. Die vom Grafen geforderte „Satisfaction“ bleibt aus. Nun wird viel Papier verschrieben. Beachtliche Mühe verwendet man beim Abfassen der Schriftsatzbegründungen. Papier, so mag es scheinen, ist geduldig. Doch zwischendurch gehen die Reibereien an den umstrittenen Herrschaftsgrenzen weiter. Und dann gibt es einen neuen Fall Bärenfänger am 2. September 1730. In Nr. 190 lesen wir davon, dass sich Georg Bärenfänger in Haft befinde. Er hatte zuvor an der „Holzhecke“ einen der Wilddieberei Verdächtigen, den Caspar Engelhard Harschnet aus Rödelheim, gefangen genommen und nach Offenbach geschafft. Dies wiederum beantwortete Frankfurt wenig später damit, den Sprendlinger Bärenfänger bei nächster Gelegenheit im Walde festzunehmen.

 

 

Graf Wolfgang Ernst zu Ysenburg war erzürnt über solche Vergeltung der Freien Reichsstadt: „… Demnach die Stadt Franckfurt sich unterstanden, Unsem Jaeger zu Ysenburg, Johann Georg Baernfaenger um deswillen gefaenglich hinzusetzen und schimpflich tractire zu laßen, auch in solcher Gefangenschafft, der beschehenen Reclamation ohngeachtet, biß daro zu behalten, weiln derselbe einen auf der so genannten Holtz-Hecken in dem Drey-Eiche Wild-Bann, womit v. Roem. Kayserl. Maj. und dem Heil. Reiche Unser Graeffl. Hauß belehnet ist, ueber wuercklichem Ansitze nach Wildpret ertappeten Wild-Dieb, Nahmens Caspar Engelhard Harschnerh von Roedelheim... gefangen genommen ...“

 

Zeugen wurden bemüht. Man hörte und vereidigte sie: den herrschaftlichen Jäger und Förster Ernst Vogler, 52 Jahre alt; den 50jährigen Förster und Feldbauern Ewalt Hunckel, den 30jährigen Tagelöhner und nur mit wenigen Lebensgütem gesegneten Heinrich Schmidt, den 48jährigen Ackersmann Johannes Franck, den 34jährigen Wagner Johannes Schlckedantz, den 24jährlgen Tagelöhner Und Holzschneider Jacob Kieffer, allesamt aus Sprendlingen. Zwei weitere Zeugen stammen aus einem anderen Ort. Sie sagen alle aus. Interessant für uns ist, was und wie sie aussagen.

 

Ernst Vogler erklärt, er habe in «einem 30jährigen Jagddienst noch nie davon gehört, dass es solche Zwistigkeiten zwischen Ysenburg und Frankfurt am Main gegeben habe. Außerdem wisse er auch von seinen Vorfahren, dass der Ysenburger Graf am Tatort die Jagd- und Wildbann-Gerechtsame schon immer ausgeübt habe.
Ewalt Hunckel schließt sich dieser Erklärung an und ergänzt, die „Holzhecke“ liege unzweifelhaft im reichslehnbaren Wildbann zu Drey-Eich. Er habe fast keinen Sprendlinger gehört, der behauptet habe, die „Holzhecke“ gehöre nicht dem Grafenhaus. Ähnlich äußert sich auch Heinrich Schmidt, der seinen Aussagen zufolge schon als Knabe Schnepfen gejagt hat.
Johannes Franck ist auch nichts anderes bekannt, und das seitseiner Jugend. An die vielen Klapperjagden, die im Frankfurter Wald durchgeführt wurden, kann er sich noch gut erinnern, auch daran, dass Graf Philipp manches Mal selbst zugegen gewesen sei.
Der Wagner Schickedantz ist ein sehr korrekter Mann. Er sagt nicht mehr, als er weiß, und er weiß nichts über das ausgeübte Jagdrecht des Ysenburgers. Er gibt zu verstehen, dass er nichts aussagen könne, weil er als 15jähriger in die Fremde gekommen und lange Zeit über dort beruflich tätig gewesen sei. Das sei auch jedermann in Sprendlingen bekannt. Aus diesem Grunde könne er nur das sagen, was er gehört habe, nämlich, dass in Frankfurts Regionen früher ohne Widerspruch Sau- und Hirschjagden stattgefunden hätten.
Johannes Kieffer weiß sich an öffentliche Jagdritte bis zu den kurmainzer Grenzen zu erinnern; er erwähnt auch die Stein-Kaut.
Jakob Kieffer bekundete, dass er selber an Klapperjagden an der „Holzhecke“ beteiligt gewesen sei. Er sagt außerdem über eine große Schweinejagd in Frankfurts Waldungen und an der Sachsenhäuser Viehtrift aus.

 

Drüben in Frankfurt wurde indes der 62jährige Bärenfänger, den man zur Hauptwache verbracht hatte, vernommen. Unter Nr. 207 ist im Buri-Buch das Frankfurter Protokoll vom 9. August 1730 abgedruckt. Dort häufen sich die Fragen an den gefangengesetzten Sprendlinger: warum er sich in Arrest befinde? Das wisse er nicht / Ob er an der Holzhecke ergriffen worden sei? Ja / Wie seine anderen Begleiter hießen? Der eine sei von Sprendlingen und heiße Franck, der Jüngere, der andere sei ebenfalls aus diesem Dorfe und nenne sich Schmidt / Ob er schuld an seiner Einsperrung sei? Da behüte ihn Gott! Was ihm seine Herrschaft befehle, das müsse er doch tun / Ob er gestehen könne, dass die „Holzhecke“ zur Stadt Frankfurt gehöre? Der ganze Wald gehöre ja Frankfurt, aber sein Herr habe immer allda die Jagd exerziert, und so habe er von seiner Herrschaft Befehl, wen er auf der Jagd dort antreffe, hinweg zu nehmen.

 

Und so war es denn auch am 10. Juni 1730 gegen 6 Uhr geschehen. Bärenfänger hielt sich mit seinen Mannen an der Mainzer Grenze auf. Insofern stimmten die Behauptungen noch überein. Nach der Frankfurter Version nahmen Bärenfänger, von 7 oder 8 Männern begleitet, den Harschner fest, weil dieser eine Flinte mit sich führte. Bärenfänger habe dem Frankfurter gleich „auf’s Maul“ geschlagen und ihm dann mit der abgenommenen Flinte Schläge versetzt. Dann seien dem Gefangenen die Hände auf den Rücken gebunden worden. In Offenbach am Main, wohin man ihn über die „Geißspitz“ (= Gehspitz) geschafft habe, sei es Harschner schlecht ergangen. Zuerst habe er acht Tage lang im Loch unter der „neuen Mehl-Waag“ gesessen. Die gräflichen Mannen hätten ihm bereits das Narrenkleid anmessen lassen, und selbiges hätte er auch anziehen müssen, wenn nicht zwischenzeitlich auch der Bärenfänger in Arrest genommen worden sei. Späterhin sei der Harschner in die Wachtstube verbracht worden, wo man ihn des Nachts an einen Stein geschlossen habe.

 

 

So also gehen die Berichte hin und her. In ihnen sind Anschuldigung und Gegenanschuldigung enthalten. Behauptung und Gegenbehauptung, Feststellung und Gegenfeststellung. Nach langem Papierkrieg sahen die Arretierten schließlich die Freiheit wieder. Frankfurt und der Ysenburger hatten zuvor ihre Ansprüche auf einen für beide Teile zumutbaren Hauptnenner zu bringen vermocht.

Doch es dauerte nicht lange, und ein neuer Fall erhitzte die Gemüter. Der Jäger und Förster „uff dem Neuen Hoff“, Ernst Vogeler, zeigte an er und Hanß Georg Müller aus Götzenhain hätten an Frankfurts Steinernen Brücke auf einem Fußpfad zwei Kerle aus Sachsenhausen (den Großkreuz mit seinem Sohn) mit einem Reh auf den Armen angetroffen. Die Sachsenhäuser hätten auch ein Beil mit sich geführt. Reh und Beil habe man den beiden mit Gewalt abgenommen. Der alte Großkreuz jedoch verbreite seinen Entschluss im Neu-Isenburger Stadthaus, den gräflichen Bediensteten, sobald sie ihm auf Frankfurter Gebiet begegneten, einen Denkzettel zu verabreichen. Solches Bekanntwerden  genügte wiederum, um einen geharnischten Schriftsatz von Offenbach nach Frankfurt zu schicken. Und wieder ging es los mit einem langatmigen Papierkrieg (Nr. 213).

 

Solche Einzelheiten und sehr viele mehr geben uns heute in Buris Streitschrift interessante Aufschlüsse über die Querelen des Fürsten zu Ysenburg mit der nachbarlichen Freien Reichsstadt Frankfurt am Main. Hie Dreieicher Herrschaftsrechte, dort Frankfurter Stadtrechte. Für uns indes ist das Ganze mehr oder weniger ein Streit um des Kaisers Bart. Seitdem die Ysenburger Herren entmachtet worden sind und damit auch ihre Territorialgrenzen fielen, gab es denn auch keine Grenzstreitigkeiten mehr mit der Stadt Frankfurt am Main.

 

Buris Söhne ließen späterhin den Namen Ihres Vaters noch einmal bekannt werden, wenn auch auf ganz andere Weise. Die Söhne Ludwig Ysenburg und Christian veranstalteten 1759 gemeinsam mit ihrem Hofmeister Heck, einem Kammermädchen, ihrer Mutter und einem Bedienten ihres Vaters Schäferspiele, die seinerzeit sehr beliebt waren. Man gründete dann sogar ein „Kränzchen“, das später nach einer in Frankfurt sehr bekannten Schauspielergruppe „Ackermann‘sche Bande“ hieß. Danach verwandelte sich das Kränzchen in einen Schäferorden, genannt „Gesellschaft deren Arkadier“. Diese Gesellschaft hatte ihren Sitz auf dem Neuhof, und es ist bekannt, dass der junge Goethe Mitglied werden wollte, dass man ihm aber den Zutritt verweigerte. Zu dieser Zeit war Ludwig Ysenburg von Buri der Vorsitzende; er nannte sich „Argon derer Arkadier“. Hochmütig hatte er als 18jähriger eine Mitgliedschaft Goethes wegen dessen „Gretchenaffäre“ abgelehnt.

 

Ein anderer blutsverwandter Namensträger des Fürstlich Ysenburgischen Rats und Archivarius Buri war als Dichter hervorgetreten: Karl Christian Ernst Wilhelm, am 25. Februar 1758 geboren (1817 gestorben) hatte zwar in Marburg und Gießen Rechte studiert und war späterhin als Hofadvokat in Offenbach am Main tätig, aber sein wahres Interesse galt den Musen. Ihn verband auch eine tiefe Freundschaft zu Sophie von La Roche. Seine dichterischen Ergüsse nahm ein schwärmerischer Kreis empfindsamer Seelen begeistert auf.

 

So also ist der Name Buri in unserem Heimatraum verschiedentlich bekannt geworden. Mit dem Neuhof und Offenbach am Main verbindet der Name Buri im Besonderen die Erinnerung an jene Zeiten, in denen man hierzulande seine Rechte zu verteidigen wusste.