Fliegerangriffe auf Sprendlingen

Arno Baumbusch

Hiermit möchte ich den nachfolgenden Generationen vor Augen führen, welche Schäden in Sprendlingen durch Angriffe alliierter Kampfflugzeuge im 2. Weltkrieg entstanden sind. Sie entstanden durch den Abwurf von ca. 200 Sprengbomben und Luftminen sowie vielen Phosphorkanistern und Tausenden von Stabbrandbomben auf die Gemarkung der Gemeinde Sprendlingen. Durch diese Angriffe gab es bei damals 7000 Einwohnern 9 Todesopfer, 25 Gebäude wurden total zerstört und 78 Gebäude schwer beschädigt.

Fliegerangriff in der Nacht vom 3. und 4. Juni 1940

In dieser Nacht wurden in Sprendlingen die ersten Bomben durch feindliche Flieger abgeworfen auf Grundstücke westlich des Reuterpfades. Es entstand nur Flur- und geringer Sachschaden. Bis Herbst 1941 fielen vereinzelt Bomben die aber nur Flurschäden verursachten. Kleinere Gebäudeschäden entstanden in dieser Zeit durch Splitter von Granaten der Flugabwehr. Bis zum 24. September 1941 wurden 43 Entschädigungsanträge gestellt. 

Fliegerangriff in der Nacht vom 12. auf 13. September 1941 

Wohnhaus Lessingstraße 9 Sprengbombentreffer
 
Wohnhaus Schillerstraße 3 (heute Moselstraße) Sprengbombentreffer

Scheune Fichtestraße 67 Totalschaden durch Brandbomben

Scheune Fichtestraße 69 Totalschaden durch Brandbomben

Scheune Gartenstraße 5/7 Totalschaden durch Brandbomben

Scheune Vogtei 1 Totalschaden durch Brandbomben

Scheune Vogtei 2/4 Totalschaden durch Brandbomben

Scheune Darmstädter Straße 3/5 Totalschaden durch Brandbomben

Scheune Darmstädter Straße 9 Totalschaden durch Brandbomben

Wohnhaus Hermann-Göring-Str.7 (heute Eisenbahnstr.) schwer beschädigt       
      
               (Sprengbombe)

Wohnhaus Hermann-Göring-Str.7a (heute Eisenbahnstr.) schwer beschädigt
 
              (Sprengbombe)

Bahnhof Sprendlingen (beschädigt durch Sprengbomben)
  • Ferner entstand eine größere Anzahl kleinerer Schäden durch Spreng- und Brandbomben. 235 Entschädigungsanträge wurden gestellt. 

Fliegerangriff in der Nacht vom 10. auf 11. April 1943

Hierbei wurden folgende Schäden verursacht: 

Wohnhaus  Horst-Wessel-Straße 12  (heute Spenglerstraße)  durch Brandbomben,

Scheune  Erbsengasse 11 (heute Sprendlinger Weg) durch Brandbomben,

Hintergebäude  Feldbergstraße 19 (heute Liebigstraße) durch Brandbomben,

Bürogebäude  Rostadtstraße 1  durch Sprengbombe,

Kohlenlagerplatz  Rostadtstraße 1  durch Sprengbombe,

Hintergebäude  Mittelstraße 14  durch Brandbomben. 

  • Ferner entstand noch eine Anzahl kleiner Schäden durch Spreng- und Brandbomben.  72 Entschädigungsanträge wurden gestellt.

Fliegerangriff am Abend des 20. Dezember 1943 

Hierbei wurden folgende Schäden verursacht:

Wohnhäuser total zerstört durch Luftminen 

in der Schlageterstraße  9, 11, 16, 18 und 20  (heute Stresemannstraße). 

Wohnhäuser schwer beschädigt durch Luftdruck

in der Schlageterstraße  5, 7, 12, 14, 15, 17, 19, und 21 (heute Stresemannstraße).

Wohnhaus in der Freiherr-vom-Stein-Straße  6

Wohnhaus in der Gustloffstraße  16  (heute Friedrich-Ebert-Straße)

Weitere beschädigte Gebäude

Wohngebäude Außerhalb  78  durch Sprengbomben

Scheune  in der Darmstädter Straße  17  durch Brandbomben

Fabrikgebäude in der Darmstädter Straße  60 und 62  durch Brandbomben

Fabrikgebäude in der Rostadtstraße 14 

Ferner ca. 200 mittlere und leichte Gebäudeschäden. 

278 Entschädigungsanträge wurden gestellt. 

 

Vier Todesopfer:

Lehmann Anna,  31 Jahre alt

Lehmann Ursula,  5 Jahre alt

Lehmann Klaus Erwin,  1 Jahr alt

Mehle Marianne,  6 Jahre alt. 

 

Fliegerangriff am 29. Januar 1944 (Tagesangriff)

Hierbei wurden folgende Schäden verursacht:

Total zerstörtes Gebäude:

Wohngebäude (vier Wohneinheiten) Außerhalb  58  durch Sprengbomben 

Schwer beschädigte Gebäude:

Wohnhäuser  Schulstraße  31, 37, und  54  durch Brandbomben

Wohnhäuser  Darmstädter Straße  2, 12 und 16  durch Brandbomben

Wohnhäuser  Hermann-Göring-Str.  9 1/10  und  11  (heute Eisenbahnstr.)  Brandbomben

Wohnhäuser  Taunusstraße  2  und  9  (heute Röhnstraße)  durch Brandbomben

Wohnhäuser  Frankfurter Straße  50  und  75  durch Brandbomben

Wohnhäuser  Straße der SA  26  und  38  (heute Hauptstraße)  durch

                Brandbomben

Wohnhaus  Vogtei  6/8  durch Brandbomben

Wohnhaus  Schillerstraße  22  (heute Moselstraße)  durch Brandbomben

Wohnhaus  Wiesenstraße  17  (heute Auestraße)  durch Brandbomben

Wohnhaus  Offenbacher Straße  2  durch Brandbomben

Scheunen   Straße der SA  9, 13  und  80 durch Brandbomben

Scheunen  Frankfurter Straße  21  und  124  durch Brandbomben

Scheunen  Offenbacher Straße  9  und  23  durch Brandbomben 

  • Ferner ca. 200  mittlere und leichte Gebäudeschäden. 265 Entschädigungsanträge
  • wurden gestellt 

Vier Todesopfer:

Pieper Friedrich,  75 Jahre alt 

Pieper Maria,  51 Jahre alt

Weiß Mathilde,  57 Jahre alt

Bähr Auguste,  62 Jahre alt  

 

Fliegerangriffe am 18. und 22. März 1944

Hierbei wurden folgende Schäden verursacht: 

Schwer beschädigte Wohnhäuser durch Brandbomben bzw. Luftdruck von 

Sprengbomben:

Wohnhäuser  Hermann-Göring-Str.  42, 62, 63, 65, 67, 75 und 77  (heute

                     Eisenbahnstr.)                     

Wohnhäuser  Adolf-Hitler-Straße  29  und  41  (heute Liebknechtstraße)

Wohnhaus  Ludendorfstraße  2  (heute August-Bebel-Straße)

Schwer beschädigte Gebäude durch Brandbomben

Scheunen  Hermann-Göring-Str. 3, 18, 30, 32  und  34  (heute Eisenbahnstr.) 

Scheunen  Straße der SA   2  und  28  

Scheunen  Wingertstraße  11, 13  und  19 

Scheune  Bangertsgasse  3 

Scheune  Offenbacher Straße  55 

Turnhalle  Taunusstraße  1  (heute Rhönstraße)  

Lagerhalle  Rostadtstraße  1  

Lagerhalle  Wiesenstraße  17  (heute Auestraße)  

Fabrikgebäude  Rostadtstraße  14

Fabrikgebäude  Straße der SA  38  (heute Hauptstraße)  

Feuerwehrhaus  Hermann-Göring-Str. 8  (heute Eisenbahnstraße) 

  •   Ferner 600  mittlere und leichte Gebäudeschäden. 

 

Fliegerangriff am 25. September 1944  (Tagesangriff)

Hierbei wurden folgende Schäden verursacht: 

Total zerstörte Gebäude:

Wohnhäuser  Hermann-Göring-Straße  160  und  170  (heute Eisenbahnstraße)  

                  durch Sprengbomben

Scheune  Tempelstraße 12  durch Brandbomben 

Schwer beschädigte Gebäude:

Wohnhäuser  Hermann-Göring-Straße  88,  90,  92,  162  und  164  (heute 

                 Eisenbahnstr.) durch Sprengbomben

Gaswerk  Hermann-Göring-Straße  140  (heute Eisenbahnstraße) durch

              Bordwaffenbeschuß

Lagerhallen  der Firmen  Gg. Stroh 5.,  B. Berthold,  Gg. Hermann Stroh und 

               der  Kohlenkasse, alle Rostadtstraße  durch Brandbomben

Zahnfabrik  Hermann-Göring-Straße  180  (heute Eisenbahnstraße)  durch

                Sprengbomben

Fabrikgebäude  Rostädter Straße 14  durch Brandbombe 

  •   Ferner ca. 150 mittlere und leichte Gebäudeschäden

Ein Todesopfer:

 Lüttenberg Richard, 32 Jahre alt (Soldat auf Urlaub)

 

Fliegerangriff am 8. Oktober 1944 (Tagesangriff)

Hierbei wurden folgende Schäden verursacht: 

Schwere beschädigtes Gebäude:

Badeanstalt   Mariahallstraße 35  durch Sprengbombe 

Mittelschwere beschädigte Gebäude:Wohnhäuser  Mariahallstraße  25,  34  und 

36  durch Luftdruck 

  •  Ferner ca. 30 leichte Gebäudeschäden. 

Bis Ende März 1945 erfolgten keine weiteren Fliegerangriffe auf das Gemeindegebiet. Am 26. März 1945 wurden noch einige Gebäude vor dem Einrücken der amerikanischen Truppen durch feindlichen und deutschen Artilleriebeschuß beschädigt. 

Abschuss eines englischen Bombers

Im Herbst 1943, vermutlich auf dem Rückflug von einem Angriff auf Schweinfurt, wurde nachts über Sprendlingen ein viermotoriger englischer Bomber (Lancaster) von der Flak getroffen. Im Scheinwerferlicht sah man die Fallschirme der abgesprungenen Piloten leuchten. 

Daraufhin mußten Einheiten der SA, H-J, Flak und Feuerwehr die Gebiete westlich von Sprendlingen absuchen. Drei Besatzungsmitglieder wurden lebend gefunden. Ein sehr junger Flieger wurde auf dem Gelände einer Gärtnerei (Reiser) zitternd und weinend angetroffen.  

Sie wurden zum Verhör auf die Polizeidienststelle im Rathaus gebracht und am anderen Tage nach Oberursel (Gefangenenlager) überstellt. Ihr Leben haben sie dem Feuerwehrkommandanten Georg Luft zu verdanken. Es waren Stimmen laut geworden die Terrorflieger tot zu schlagen.  

Die restlichen fünf Besatzungsmitglieder konnten nur noch tot geborgen werden. Sie wurden auf dem Sprendlinger Friedhof beigesetzt. Von den fünf Holzkreuzen waren drei mit Rang und Namen und zwei mit „unbekannt“ beschriftet. Beim Verhör hatte sich herausgestellt, daß die Flugzeugbesatzung erst kurz vor dem Start zusammengestellt worden war.  

Der gepflegte Zustand des Grabes beeindruckte nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen den Ortskommandanten. Die fünf Soldaten wurden bald nach Ende des Krieges ausgegraben und nach England überführt.  

Bei schweren Bombenangriffen wurden einzelne Einheiten der Hitler-Jugend und des deutschen Jungvolkes kurzzeitig dienstverpflichtet und zur Brandbekämpfung und Aufräumungsarbeiten eingesetzt. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, daß Diebstahl oder Plünderung mit dem Tode bestraft wird.

Absturz eines deutschen Jagdflugzeugs

Neben der jüdischen Begräbnisstätte, dort wo heute der neue Teil des Sprendlinger Friedhofes ist, waren im Krieg Gärten. Ca.15 Meter vom Lacheweg entfernt stürzte 1944 an einem frühen Abend eine deutsche  Me109 f  ab. Das Flugzeug hatte sofort Feuer gefangen und die Munition der Bordwaffen war am explodieren als es wieder einmal Fliegeralarm gab. Für die Feuerwehr und deren Helfer war es sehr gefährlich, den Brand vor dem Eintreffen feindlicher Flugzeuge unter Kontrolle zu bekommen. Der Pilot, ein Oberleutnant war, mit dem Fallschirm ausgestiegen und in der Nähe der Hub unverletzt niedergegangen. Laut seiner Aussage wollte er seine beschädigte Maschine auf dem Flugplatz (Rhein/Main) notlanden, bekam aber keine Landeerlaubnis. Ich erinnere mich noch wie er sagte, ihm hätte es sehr leid getan, wenn sein Maschine in das Wohngebiet gestürzt wäre. 

Beschuss eines englischen Bombers

An einem Nachmittag im Spätsommer des Jahres 1944 war wieder einmal  wie üblich Voralarm. Wir kümmerten uns nicht darum, weil wir noch keine Motorengeräusche hörten. Mit der Zeit hatte man, am Ton der Motoren gelernt ob da oben Freund oder Feind flog und jetzt auf einmal hörten wir den Ton von englischen Rolls-Royce-Motoren. Das feindliche Flugzeug, ein viermotoriger Bomber kam aus Richtung Hanau und flog sehr tief und mußte schwer beschädigt sein, denn zwei der vier Motoren qualmten sehr stark. Der eine stand still und der andere drehte sich nur noch ganz langsam. Die Besatzung versuchte das schwer angeschossene Flugzeug noch so weit wie möglich nach Westen zu bringen, um vielleicht doch noch der Gefangenschaft zu entgehen.

Auf den Wilhelmshöfer Feldern zwischen der Frankfurter- und Offenbacher Straße war damals eine Flakbatterie stationiert. Bedient wurden diese 8,8 cm Geschütze fast nur von 15 - 16 jährigen Jugendliche, den sogenannten Heimatflaksoldaten. Vielleicht um ihnen ein Erfolgserlebnis zu verschaffen und ein Flugzeug abzuschießen gab der Batteriechef vermutlich den Befehl  „Feuer frei“. Die Buben schossen was die Rohre hergaben. Jedes Geschütz wollte sich den Ring am Rohr, für einen Abschuß verdienen.  

Im Eifer des Gefechtes geschah es aber auch, daß die Entfernung falsch eingestellt wurde und so manche Granate über den Dächern von Sprendlingen als Schrapnell explodierte und dabei auch so manchen Schaden verursachte. An unserem Haus ( Rathausstr.15) hingen danach im 1. Stock die Klappläden schief und im Verputz der Westseite klafften viele Löcher, verursacht durch Flaksplitter. 

Obwohl um den Bomber sehr viele Detonationswolken waren, getroffen wurde er nicht mehr und entschwand in westlicher Richtung. Vermutlich abgestürzt oder notgelandet im Raum Walldorf/Groß-Gerau.  

 

Sirenensignale und ihre Bedeutung:

 

V o r a l a r m, ein zweimal unterbrochener Heulton von einer Minute bedeutete:

Einzelne feindliche Flugzeuge sind im Anflug.

H a u p t a l a r m, ein wellenartiger Heulton ebenfalls von einer Minute bedeutete:

Feindliche Bomberverbände mit Jagdschutz sind im Anflug auf unser Gebiet.

E n t w a r n u n g, ein Heulton ebenfalls von einer Minute bedeutete:

Keine Gefahr mehr vorhanden.

 

Dieser Artikel basiert auf dem Buch "Dreieich zwischen Parteipolitik und Volksgemeinschaft", 

von D. Rebentisch - Verlag W. Kramer - Frankfurt am Main 1984

Ergänzt durch Arno Baumbusch 2001