Der Kampf um die Wienand-Villa

Ein trauriges Beispiel für den Umgang unserer Gesellschaft mit historischen Gebäuden

Wienand Villa 2021Abbruch Wienand-Villa










Die Vorgeschichte

1908 wurde die von Friedrich August Wienand gegründete Zahnfabrik von Pforzheim in die Sprendlinger Eisenbahnstraße verlagert. Ausschlaggebend war die Versorgung mit Wasser und Gas durch das neu errichtete Gaswerk in der Nachbarschaft. Die Zahnfabrik entwickelte sich im Laufe der Zeit sehr positiv und wurde zum größten Arbeitgeber in Sprendlingen. Nach dem Tod des Gründers übernahmen dessen Söhne die Geschäftsführung: Dr. Heinrich Wienand war der wissenschaftliche und der Bruder Friedrich (Fritz) Wienand der kaufmännische Leiter. Beide Fabrikbesitzer mussten natürlich ein repräsentatives Domizil vorweisen. Fritz Wienand kaufte sich ein großes Anwesen im Buchschlager Kohlseeweg, das mehrfach umgebaut heute noch zu Wohnzwecken dient.

Die Villa von Heinrich August Wienand wurde im Ersten Weltkrieg geplant, auf einem Grundstück in direkter Nachbarschaft der Zahnfabrik in der Parkanlage WienandEisenbahnstraße 200.  Im Staatsarchiv in Darmstadt wird der Plan der Gartenanlage aus dem Jahr 1919/1920 aufbewahrt (Signatur O 24 Nr. 68/11). Man erkennt den Grundriss der Villa mit einer vorgelagerten Terrasse, einem Rosenbeet und einem Wasserbecken. Zwischen dem Wasserbecken und dem Tennisplatz ist ein rundes Gebäude eingezeichnet: der Pavillon. Eine wunderschöne Parkanlage. 1919/1920 war keine gute Zeit, eine solche Villa zu bauen, sie wurde erst 1926 errichtet. Das Rosenbeet, das Wasserbecken und der Pavillon wurden realisiert. Vor dem 2. Weltkrieg kam es zu einer Teilung des Grundstücks, wobei der westliche Teil in den Besitz der Gaszählerfabrik Dehm & Zinkeisen gelangte. 

--> Hier ein Luftbild des Geländes aus dem Jahr 1944. Heinrich August Wienand wohnte mit seiner Familie in der Villa bis zu seinem Tod im Jahr 1948, danach lebte sein Sohn Heinrich bis in die 1960er Jahre in dem Anwesen. Vor 1978 erfolgte der Verkauf des Geländes mitsamt der Villa an einen Investor, der auf dem hinteren Teil des Grundstücks ein Hotel baute, das an verschiedene Betreiber verpachtet wurde (Mercure, Best-Western, Dorinth). Die Villa diente als Tagungsstätte für Familienfeiern oder Firmenseminare. Sowohl die Firmengebäude von Dehm und Zinkeisen als auch die der Zahnfabrik wurden abgerissen, um einer Bebauung Platz zu machen. Es entstanden ein neues Wohngebiet sowie entlang der Eisenbahnstraße eine Seniorenwohnanlage und ein Supermarkt. 2021 soll es dem Vernehmen nach einen Wasserschaden im Hotel gegeben haben. Daraufhin entschloss sich der Eigentümer, eine englische Investmentfirma, das Gelände zu verkaufen. Der neue Besitzer ist ein lokaler Projektentwickler, der eine hohe Summe für das begehrte Grundstück zahlte. Dabei spielte auch die Tatsache eine Rolle, dass die Villa nicht unter Denkmalschutz stand.

Die Abrisspläne
Wir von den Freunden Sprendlingens erfuhren gerüchteweise von den Abrissplänen. Zusammen mit Corinna Molitor, Leiterin des Dreieich-Museums, und dem Vorstand des Geschichtsvereins Buchschlag verfassten wir einen Offenen Brief an den Investor mit der Aufforderung, die Villa zu erhalten und in das Neubauprojekt zu integrieren. Gleichzeitig kontaktierten wir das Landesamt für Denkmalpflege. Uns wurde mitgeteilt, dass bereits in den 1980er Jahren das Gebäude begutachtet wurde. Danach erfüllte es nicht die Kriterien, um es nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz als Kulturdenkmal einzustufen. Im Rahmen der Verkaufsverhandlungen wurde das Haus erneut vom Landesamt aufgesucht. Die Gutachter kamen zu dem gleichen Ergebnis. Viele Bürger können diese Einstufung nicht nachvollziehen, insbesondere weil die lokalhistorische Bedeutung (Zahnfabrik, Wienand-Villa in Buchschlag, Wienand-Familie als Mäzen in Sprendlingen usw.) nicht hinreichend Berücksichtigung fand. Unter Vermittlung der Stadtverwaltung kam es am 28.12.2021 zu einem Ortstermin mit dem Investor. Wir hatten die Möglichkeit, das Innere der Villa zu besichtigen. Der Investor erläuterte, dass er mittels eines Gutachtens geprüft habe, ob die Villa erhalten werden könne. Das Ergebnis war prinzipiell positiv, allerdings gebe es kein realistisches Nutzungskonzept, das die hohen Renovierungskosten hätten  rechtfertigen können. Er sei aber durchaus bereit, die Villa zu verkaufen, wenn seine bisherigen Investitionen übernommen werden würden. Wir nahmen daraufhin nochmals Kontakt mit der Stadt auf mit der Bitte zu prüfen, ob dort möglicherweise eine Kindertagesstätte eingerichtet werden könne. Offensichtlich wurde dies geprüft und ob der hohen Kosten verworfen.
Wienand Villa 2021

 

 Zwischenzeitlich wurde der Abriss in den sozialen Medien intensiv diskutiert. Von Unbekannten wurde ein Banner am Bauzaun angebracht: "Die größte Gefahr der modernen Architektur ist der Bazillus der Monotonie. Deshalb: Kein Abriss der Villa Wienand!". Im administrativen und dann im politischen Bereich wurde der Erlass einer Erhaltungssatzung diskutiert und unter heftigem Schlagabtausch mit der Opposition von der DachreiterKoalition aus SPD, CDU und FWG abgelehnt. 

Der Abriss
Mitte Februar 2021 rollten dann die Abbruchbagger an und am 21.2. 2022 war das Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Immerhin sagte uns der Projektentwickler zu, die Abbruchfirma zu bitten, den Dachreiter für die Freunde Sprendlingens zu sichern. Dies gelang und seidem befindet sich das einzige Erinnerungsstück an dieses historische Gebäude im Vereinsarchiv. 


Hier die Chronologie der Ereignisse in der Offenbach-Post:

Offenbach-Post 24.07.2021    Freunde Sprendlingens: Erinnerungskultur in Dreieich erhalten 

Kommentar OP  24.07.2021    Es geht um ein Stück Stadtgeschichte
Offenbach-Post 18.11.2021    Offener Brief: gegen drohenden Abriss einer Dreieicher Villa
Offenbach-Post 24.12,2021    Protest verhallt: Wienand-Villa droht weiterhin der Abriss
Offenbach-Post 15.01.2022    Historische Villa Wienand vor dem Abriss: Stadt will das verhindern
Offenbach-Post 19.01.2022    Aus für die Villa Wienand: Hoffnungsfünkchen ist erloschen
Offenbach-Post 22.01.2022    Grüne enttäuscht über gescheiterten Rettungsversuch
Offenbach-Post 25.01.2022   "Man sollte sich an der Realität orientieren"
Offenbach-Post 22.02.2022    Dachreiter bleibt als Erinnerung an die Wienand-Villa