Villa Schott

Dieser Löwenkopf links findet man an dem Altanvorbau der "Villa Schott" am südlichen Ortsausgang von Sprendlingen Richtung Langen. Diese außerordentlich repräsentative Villa wurde 1902 von Wilhelm Löffler (1866-1932), dem damaligen Besitzer der Sektfabrik Georg Adam Löffler gebaut. In der Literatur wird auch das Baujahr Jahr 1882 (oder 1880er Jahre) genannt, was angesichts des Geburtsjahrgangs von Wilhelm Löffler höchst unwahrscheinlich ist. Auf dem Altanvorbau mit Säulen und den Löwenköpfen ist "ARCHITEKTEN BEGAS u. HALLENSTEIN 1902" eingemeißelt. Dieser Altanvorbau ist unterkellert; er ist somit wahrscheinlich ein Teil des ursprünglichen Baukörpers. Auch das belegt das Baujahr 1902. Der Architekt Konrad Hallenstein war im Frankfurter Raum aktiv, u.a. war er an der Bebauung von zwei Buchschlager Villen beteiligt. Der Gartenarchitekt Friedrich Wilhelm Begas war wohl für die Neuanlage des Parkgeländes verantwortlich. Das Zentrum des Hauses war die große Halle, die zwei Stockwerke umfasste. Die drei großen Bogenfenster auf der Nord-Ostseite ließen genügend Licht in die Halle fallen. Eine mit Schnitzereien verzierte Treppe führte auf eine offene Balustrade im Obergeschoss, von der aus man die anliegenden Zimmer betreten konnte. Für das Personal war eine gesonderte Treppe vorgesehen.

Die von Wilhelm Löfflers Vater 1865 gegründete Sektkellerei produzierte auf dem benachbarten Gelände Ecke Darmstädter Straße / Hainer Chaussee über 100 Jahre lang. Die Kellerei wurde 1971 nach Dreieichenhain verlagert, wurde von einem anderen Unternehmen (Westgetränke) übernommen und stillgelegt. Als Wilhelm Löffler, der Erbauer der Villa, 1932 kinderlos aus dem Leben schied, erbt seine Schwester Katharina Michel die Sektfabrik Löffler.

 

Die andere Schwester Marie Schott (1872-1941) erbte die Villa. Sie hatte den damaligen Pächter des Neuhofs, den Landwirt Wilhelm  Simon (1864-1922) geheiratet. Aus der Ehe ging die Tochter Dora (1895-1954) hervor, die 1919 den Pächter des Neuhofs, den Landwirt Julius Schott (1888-1956) heiratete.  

 

Julius Schott hatte ein Studium der Landwirtschaft absolviert. Als Landwirtschafts-Volontär kam er dann zum Hofgut Neuhof (Dreieich-Götzenhain), wo er erstmals seine zukünftige Frau Dora Simon traf. Beider Eltern waren der Meinung, dass die Kinder noch zu jung zum Heiraten seien, und so wurde Julius Schott zunächst nach Afrika (1910-1912) geschickt. Als Jäger und Fotograf begleitete er einen Vetter ins damaligen Deutsche-Ostafrika auf einer Grenz-Vermessungs-Expedition.

 

Nach dem ersten Weltkrieg heirateten Dora und Julius im Jahr 1919. Die Träume von der eigenen Farm in Afrika waren zerplatzt. Als Pächter des Hofguts Neuhof, jetzt in dritter Generation*, kam Julius Schott Anfang der 1930er Jahren, durch verschiedene unglückliche Umstände in finanzielle Schwierigkeiten und konnte die Pacht auf dem Neuhof nicht mehr aufbringen. Der fürstlich Isenburgische Neuhof wurde 1933 an eine Aktiengesellschaft veräußert und wurde 1936 von der Familie Schumacher erworben.

Durch die Heirat mit der Löffler-Erbin Dora Simon, konnte Julius Schott zumindest mit seiner Familie ab 1933 in der Villa, die bis heute seinen Namen trägt, eine glückliche Zeit erleben. 1945 wurde das Gebäude beschlagnahmt und war kurz der Sitz der amerikanischen Militärverwaltung des Kreises Offenbach. Die Familie Schott zog unterdessen in den Pferdestall der ehemaligen Löfflerschen Sektkellerei. Nach einiger Zeit konnte die Familie ins Haus zurück, mit einem gewissen Verlust an „US-Kriegsbeute“. Nach dem Abzug der amerikanischen Besatzer aus der Villa Schott waren nur noch einige wenige Jagdtrophäen und Ethnologische Artefakte aus Afrika übrig.

              Jagdzimmer von Julius Schott                            Julius Schott ca. 1955


Anschließend wurden Flüchtlingen und Vertriebene durch die Wohnungs-Zwangsbewirtschaftung in der Villa untergebracht. 1947 kam auch der Zahnarzt Joachim-Albrecht Graf Bülow von Dennewitz als Sowjetzonen-Flüchtling erstmals in die Villa Schott. Einer Familie Eckermann wurde zunächst der große Speisesaal und zwei kleine Zimmer zugewiesen. Eine weitere Flüchtlingsfamilie war in dem Haus untergebracht.

Julius und Dora Schott hatten drei Töchter: Liselotte (1921-2021), Gisela (1923-2004) und Irmgard (1925-1990er).

Auf dem Bild von links: Liselotte, Irmgard und Gisela um 1948. Die älteste Tochter Liselotte heiratete 1954 Joachim-Albrecht Graf Bülow von Dennewitz. Das letzte große Fest in der Villa war die Taufe ihres Sohnes Hasso 1956. Dora Schott starb bereits 1954 mit nur 59 Jahren. Julius Schott verstarb mit 68 Jahren im Jahr 1956. Die Schott-Töchter waren nach dem Tod der Eltern nicht in der Lage, die finanzielle Forderung des Finanzamtes aufgrund des Lastenausgleichs-Gesetzes zu bedienen. Sie waren somit gezwungen, die überschuldete und reparaturbedürftige Villa Schott 1959 zu verkaufen. 

 

Das Haus mit einem Grundstück von 3.777qm kam nach langen Verhandlungen für 66.000 DM in den Besitz des Hoteliers Felix Scheibe. Bei Aufgabe der Villa wurden alle afrikanischen Trophäen an eine Film-Requisitenfirma verkauft und die Jagdgeweihe gingen an eine Knopffabrik. Die Familie Eckermann wohnte dort noch bis 1961.

Felix Scheibe ließ eine neue Heizungsanlage einbauen und fünf Betongaragen im Garten erstellen. Er verstarb, ohne einen neuen Nutzer gefunden zu haben.  Sein gesamtes Vermögen erbte seine in Polen lebende Schwester. Nach dem Auszug der Familie Eckermann 1961 blieb das Anwesen unbewohnt und verfiel langsam aber sicher, weil dringend erforderliche Unterhaltungsreparaturen nicht durchgeführt wurden.  

Versuche der Stadt Sprendlingen, in den 1960er und 1970er Jahren das Anwesen zu kaufen, scheiterten an zu hohen Forderungen der Eigentümer. Das Gebäude wurde in den 1980er Jahren unter Denkmalschutz gestellt; es durfte demnach nicht abgerissen werden. 1996 war die Villa im Besitz einer Person im Umfeld des Immobilien-Kaufmanns Heinrich Gaumer, der 2015 verstarb. Uber den damaligen Zustand informiert ein Film in YouTube ("Lost Places"). 

Nach Informationen der Offenbach-Post kontaktierte der Architekt Jochem Jourdan “einen der Eigentümer” und erarbeitete einen Bauantrag. Der Tod von Gaumer machte diese Pläne zur Makulatur. Das Anwesen ging dann in den Besitz der Firma FBW Immobilien über, die die Bebauung des Grundstücks in Angriff nahm. Nachdem das Grundstück mit modernen Stadthäusern (recht eng) bebaut war, wurde die Villa aufwändig und vorbildlich äußerlich renoviert. Es ist ein schönes Entree von Sprendlingen geworden. Dank an den Projektentwickler!


Quellen:

 

  • Familienbuch Sprendlingen,
  • Erika Schickel (maschinenschriftliches Manuskript),
  • Mailnachricht von Christina Uslular-Thiele,
  • Modernisierung der Villa Schott, freie Masterthesis am Fachbereich Architektur von Eric Rene Göbel, S. 12,
  • Informationen von Hasso Graf Bülow von Dennewitz, dem Sohn von Joachim-Albrecht Graf Bülow von Dennewitz und seiner Frau Liselotte, geb. Schott,
  • Die Bilder der Familie Schott wurden von Hasso Graf Bülow von Dennewitz freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

* Die Familiengeschichte der Familien Simon / Schott wird in dem Buch von Helmut Keim: Götzenhain - Mein Heimatdorf auf der Seite 256 f ausführlich beschrieben.