Sprendlingen war Ende des 19. Jh. das Zentrum für Traberzucht in Deutschland. Im Gestüt Mariahall wurden vom Frankfurter Fabrikanten Wilhelm Moessinger die ersten deutschen Traberpferde gezüchtet, die sehr erfolgreich in nationalen und internationalen Rennen eingesetzt wurden. 1885 kaufte Wilhelm Moessinger das Landgut im Süden Sprendlingens und baute es um zu einem Gestüt mit Herrenhaus, Stallungen, Trainierbahn und einem schön angelegten Teich.
1886 ließ er einige Traberpferde aus USA kommen, darunter die preisgekrönte Stute Blue Bell (Abb. © Gerd von Ende) und die Deckhengste Lump und Emigrant. Das war der Beginn der erfolgreichen Traberzucht auf Mariahall. Das Gestüt wurde 1890 um eine weitere Trainierbahn mit Ställen am Forsthaus Buchschlag genutzt (im „Kamerun“). Um 1910 wurde der Zuchtbetrieb zurückgefahren und 1913 ganz aufgegeben. Der Sohn Wilhelm Moessingers konzentrierte sich stattdessen auf die Landwirtschaft. 1926 kaufte die Gemeinde Sprendlingen das Gelände für 175 000 Reichsmark und erbaute dort in Notstandsarbeit das Schwimmbad. Das Landhaus wurde zu einem Restaurant mit Hotel umgebaut. In der NS-Zeit diente das Haus als D.A.F.-Schule (Deutsche Arbeiterfront = Nachfolgeorganisation der verbotenen freien Gewerkschaften).
Nach dem Krieg wurde es wieder als Restaurant und Hotel mit 20 Betten genutzt, Der Betrieb wurde 1962 eingestellt. Wegen der angeblich maroden Bausubstanz entschloss sich die Stadt Sprendlingen 1964, das Gebäude abzureißen und dort einen Kinderspielplatz einzurichten. Immerhin konnten die Freunde Sprendlingens erreichen, dass die beiden Mariahall-Löwen wieder zusammen sind und den Eingang des Friedhofs bewachen.
Lesen Sie das Kapitel "Erinnerungen an Mariahall" von Heinrich Runkel für umfangreichere Informationen oder schauen Sie sich den detaillierten Grundstücksplan des Mariahall-Geländes aus dem Jahr 1926 an. Interessant ist dort auch ein Plan des Geländes aus dem Jahr 1863, vor dem Kauf des Landguts durch Moessinger.
Am 28.01.2024 wurde die von Wilhelm Schäfer, einem Vorstandsmitglied der Freunde Sprendlingens, kuratierte Ausstellung im Foyer des Dreieicher Rathauses eröffnet: Von Kuglers Hof zum Parkschwimmbad. Wilhelm Schäfer hat in seiner Funktion als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Dreieicher Stadtarchiv einige bisher unbekannte Dokumente und Pläne entdeckt, die er zu dieser interessanten Ausstellung zusammenführte. Nicole Jost hat in der Offenbach-Post darüber berichtet.
Der Abbruch des Landhauses Mariahall im Jahr 1964