Hofgut Rosenau

Neben den Hofgütern Mariahall und Wilhelmshof gab es in Sprendlingen ein weiteres Anwesen, das die Bezeichnung Hofgut trug: die Rosenau. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten ist über die Rosenau in der heimatkundlichen Literatur sehr wenig zu finden. Dies war für den Autor dieses Berichtes Anlass, in der Sache Erkundigungen einzuholen, Karten zu studieren und Gespräche mit verschieden Personen zu führen. Interessanterweise kann man das heutige Hofgut Rosenau mit seiner Pferdehaltung als würdigen Nachfolger von Mariahall mit seiner Traberzucht ansehen. Über die Ergebnisse dieser Recherchen soll im Folgenden berichtet werden.

Die Rosenau liegt im Westen von Sprendlingen nahe der Grenze zu Buchschlag an der Rosenaustraße. Von der Liebknechtstraße muss man den renaturierten Hengstbach mittels einer Brücke überqueren. Man passiert ein modernes, neugebautes Stadthaus, bis man an den rechterhand stehenden ehemaligen Gutshof kommt. Es handelt sich um eine U-förmige Wohnanlage für sieben Parteien. Der idyllische Innenhof öffnet sich nach Norden zu den Baierhansenwiesen hin.  Im Westen dieses Gebäudes erkennt man eine stattliche Anzahl von z.T. verfallenen Gewächshäusern und Betriebsgebäuden sowie ein Wohnhaus mit einem Bürokomplex und einer Lagerhalle. Ganz im Westen des Geländes findet man einen idyllischen, nicht zugänglichen Teich, der in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Diese Beschreibung entspricht dem Stand August 2013. Die Situation wird sich in Bälde ändern, da das Gelände verkauft worden ist. An dieser Stelle soll eine Reitanlage entstehen. Doch davon mehr weiter unten.
 
Schaut man sich das Gebiet auf alten Flurkarten an, dann erkennt man dort ein Flurstück mit der Bezeichnung "Auf den Bellung" und "Auf die Bellungswiesen". Die nach dem Krieg angelegte Bellungstraße (zwischen Eisenbahn- und Liebknechtstraße) erinnert daran. Es ist auch der Name Belling (z. B. in "Bellingsweg") überliefert. Gandenberger (1929) vermutete, dass sich dort eine Streusiedlung in der Urmark Sprendlingen befand. Auf dem Messtischblatt von 1876 ist die Neuanlage der Eisenbahnstraße zu erkennen. Der Hengstbach fließt noch in seinem alten Bett: westlich der jetzigen August-Bebel-Straße macht er einen Bogen Richtung Eisenbahnstraße und fließt dann durch die Niederwiesen Richtung Wald. Er wurde wahrscheinlich in den 20er Jahren begradigt und mit einer Stauanlage (aus Beton) versehen, um die Niederwiesen überfluten zu können. Auf dem alten Messtischblatt ist eine Grube zu sehen, in die ein Weg aus östlicher Richtung führt. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Lehmgrube, aus der das Material für die Ziegeleien im Norden Sprendlingens gewonnen wurde. Man beachte den Eintrag "Belling" und "Bellings W."
 
Auf dem Messtischblatt von 1923 ist die Rosenau bereits eingezeichnet (mit Nebengebäude in östlicher Richtung), ebenso die Rosenaustraße, die mit einer Brücke über den Hengstbach führt. Der Hengstbach selbst ist noch nicht begradigt. Die Lehmgrube ist noch nicht mit Wasser gefüllt. Die Gewächshäuser sind (noch) nicht eingezeichnet. Ein Grabensystem verläuft vom Hengstbach ausgehend parallel zu diesem durch das Gelände. Die Ziegeleien (in der Nähe des heutigen Bürgerhauses) sind noch zu erkennen. 

Ergänzung 4/19: 1910 verkaufte die Gemeinde Sprendlingen das Gelände (70.000 qm) an die Süddeutsche Geflügelfarm Hugo Wüsthoff. Der Eigner erbaute dort ein Wohnhaus mit Betriebs- und Verwaltungsbauten sowie Schuppen zur Geflügelhaltung. Es  wurde von der Gemeinde eine Straße angelegt (die heutige Rosenaustraße) und das Gelände mit Strom, Wasser und Gas versorgt. Entsprechende Dokumente sind im Stadtarchiv einsehbar. Ein Nutzer dieser Website stellte einen Artikel von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft aus dem Jahr 1913 zur Verfügung. Darin beschreibt Hugo Wüsthoff unter dem Titel "Eine Deutsche Geflügelfarm" sein Anwesen: Es gab Zuchtställe für Peking-Enten mit Ausläufen und mit vom Hengstbach gespeisten Teichen. Im Ostflügel des Haupthauses wurde ein Brutsaal mit 40 Brutmaschinen für ca. 10.000 Eier eingerichtet. Auf der Nordseite der Farm lag der Mastschuppen, der Tausende von Schlachtenten aufnehmen konnte. Es wurden auch Schweine gehalten, die u.a.  mit Schlachtabfällen gemästet wurden. Im westlichen Teil der Farm befanden sich die Schlacht-, Pack- und Versandräume und ein Futterboden nebst Futterküche. Die Gebäude waren mit Gleisen von insgesamt ca. 1000 m miteinander verbunden.

Dem Sprendlinger Brandkataster ist zu entnehmen, dass das Hofgut Rosenau 1919 von Stefan Braun übernommen wurde, über den es nur wenige Informationen gibt. Es existiert eine Luftaufnahme des Geländes die um 1930 entstanden ist. Man erkennt das repräsentative Hauptgebäude mit Mansardendach, gestaffelten Fronten , dem hervorspringenden runden Eingangsbereich auf der Südseite und dem einfacher gehaltenen Wirtschaftsflügel auf der Ostseite. Der längliche Anbau auf der Ostseite war Teil einer Geflügelfarm. Westlich des Hauptgebäudes sieht man die Gewächshäuser mit einem Heizgebäude und Schornstein. Die Lehmgrube oben links auf dem Bild ist noch nicht mit Wasser gefüllt. Aus dem Namen "Rosenau" kann geschlossen werden, dass in den Gewächshäusern sicherlich auch Rosen angebaut wurden. Es ist auch anzunehmen, dass die anderen Flächen des Gutes landwirtschaftlich genutzt wurden.
 
1938 wurde das Hofgut Rosenau von dem Berliner Versicherungsdirektor i.R. Arno Otto, der offensichtlich eine gute Abfindung erhalten hatte, gekauft. Wahrscheinlich in dieser Zeit wurden auch die drei Karpfenteiche entlang des Hengstbaches angelegt, die erst 1981 nach einer großen Überschwemmung beseitigt wurden.  Auch dürfte die Lehmgrube mit dem Hengstbach verbunden und geflutet worden sein. In den Niederwiesen gingen während des Krieges Bomben nieder, deren Explosionsdruck die Gewächshäuser teilweise zerstörten. Angemerkt sei noch, dass es noch bis in die Nachkriegszeit in der Darmstädter Straße, Ecke Ludwigstraße eine Gastwirtschaft mit dem Namen "Zur Rosenau" gab. Diese Bezeichnung hat aber nichts mit dem Hofgut Rosenau zu tun.
            
Winterliche Bilder des Hofgutes Rosenau aus den 1950er Jahren.
 
1953 pachtete Fritz Domke das Hofgut von dem lebenslustigen Arno Otto, der mit seiner Frau weiterhin im Hofgut wohnte (und 1957 verstarb). Fritz Domke führte seine Geschäfte über zwei Firmen: den Gartenbaubetrieb Rosenau und den Fritz Domke Pflanzenhandel. Der Gartenbaubetrieb spezialisierte sich auf Azaleen und Erika, während die Handelsfirma sich über internationale Kontakte hauptsächlich mit der Einfuhr von Lorbeerbäumen befasste. Der Sohn und Schwiegersohn übernahmen dann die Betriebe. Die Geschäfte liefen zunächst gut weiter, bis 1973 die erste Ölkrise kam. Die Energiekosten für die Heizung der Gewächshäuser stiegen stark an, so dass dies das Ende des Gartenbaubetriebes Rosenau bedeutete. Der Pflanzenhandel lief unterdessen weiter.
 
Die beiden Luftbilder zeigen das Gelände der Rosenau um 1980. Man erkennt das Haupthaus, die Gewächshäuser mit Heizanlage, und Betriebsgebäude. Auf dem linken Bild ist der Bungalow von Domkes und der Teich im Hintergrund zu sehen, auf dem rechten Bild ein weiteres Wohnhaus mit Bürokomplex.
 
1982 wurde das Hauptgebäude der Rosenau an eine Gruppe von Leuten mit gemeinsamen philosophisch-spirituellen Interessen verkauft. Die Eigentümergemeinschaft ließ das Hofgut aufwändig und sehr geschmackvoll in eine Wohnanlage mit 7 voneinander unabhängigen Einheiten umbauen. Sowohl im Innenhof als auch im Außenbereich ist eine romantische Idylle entstanden, die Ihresgleichen sucht. Der Charakter des Hofgutes blieb erhalten, obwohl die Nutzung grundlegend geändert wurde. Ein Kompliment für den Architekten! Dem Angelverein, der den Teich gepflegt und bewirtschaftet hatte, wurde der Pachtvertrag nicht verlängert, damit sich dort die Natur ungehindert entfalten konnte.  
 
Was geschah danach? Das Grundstück, auf dem die frühere Lehmgrube und der jetzige romantische Teich liegt (Landschaftsschutzgebiet!), wurde von dem damaligen Grundstückseigentümer, der es aus der Konkursmasse des Gartenbaubetriebes übernommen hatte,  großzügigerweise der  Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) übertragen. Der Hengstbach wurde von der Stadt Dreieich renaturiert und ein Weg an dessen Nordseite angelegt, für den die Familie Domke Grund und Boden abgeben musste. Der Zufluss des Rosenauweihers vom Hengstbach wurde erneuert und weiter bachaufwärts verlegt. Die Entwässerung nach Norden zum Schlagbach blieb wie sie war. Bei Bedarf kann der Rosenauweiher auch durch einen Brunnen gespeist werden. Der alte Bungalow von Familie Domke wurde verkauft und zu dem oben erwähnten Stadthaus umgebaut. Die Gewächshäuser verfielen immer mehr, so dass man sich Gedanken machte, was mit dem restlichen Grundstück der Fritz Domke Pflanzenhandelsgesellschaft geschehen sollte.
 
2013 kaufte der Unternehmer Hans Nolte das Gelände um das Hofgut Rosenau auf, um dort eine private Reitanlage anzulegen. Es entstanden ein Stall mit Reithalle, Außenplatz, Wohnhaus, Futtergebäude und Koppeln für 15 Dressurpferde. Das Grundstück der Eigentümergemeinschaft Rosenau mit dem umgebauten Gutshof ist davon nicht betroffen. Mit der beeindruckenden Reitanlage "Hofgut Rosenau" hat das Gelände eine deutliche Aufwertung erfahren. Abschließend sei noch erwähnt, dass es auf dem Rosenaugelände einen geheimnisvollen Ort gibt, über den hier nichts berichtet werden soll. Sonst wäre es kein geheimnisvoller Ort mehr.
 
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Der Autor dankt Frau Domke, Herrn Gleisner und Herrn Böhm für die informativen Gespräche.
Fotos: L. Domke, W. Ott, Archiv Baumbusch, Hofgut Rosenau GmbH
Literatur: Gandenberger, W: Die Flurnamen von Sprendlingen, Beiblatt zum zehnten Bereicht der freiwillig-tätigen Arbeitgemeinschaft zur Förderung der Heimatforschung, 1929 
Sprendlinger Brandkataster: Information von Hans Ludwig Schäfer, Stadtarchiv Dreieich
Autor: Wilhelm Ott, Dreieich, im August 2013, ergänzt im Mai 2016

 


Hier ein YouTube Film aus 2018