Es waren doch die Kelten

Von Volker Arnold und Barbara Simon

 

Die Spuren alter Ackersysteme findet man nicht nur in Sprendlingen. Sie sind südlich des Maines weit verbreitet. Der Name „Celtic“ hat sich zwar durchgesetzt, jedoch können die Spuren älter oder jünger sein und müssen archäologisch datiert werden. Keramikfunde in Sprendlingen verweisen nun tatsächlich in die keltische Laténe-Zeit. Auch die Bewertung von Klimaeinflüssen und Pollendiagrammen passen dazu.

Abb. 1: Übersicht über die Restwälder des Wildbannes Dreieich. Grün: heutiger Wald, rot schraffiert: vermutlich urgeschichtliche Parzellierungsspuren vom Typ Sachsenhausen, gelb schraffiert: Wölbbeetfluren mittelalterlich/frühneuzeitlichen Typs, hellblau schraffiert: vermutlich römische Parzellierungsspuren, G: Grabhügelgruppen, rotes Andreaskreuz: Pollenprofil Mönchbruch. Kartengrundlage: TK 100, hvbg.hessen.de

Leichte Böden bevorzugt

Im Rhein-Main-Gebiet und auch in Sprendlingen fanden sich durch Laserscan-Daten im Bodenrelief alte Ackersysteme, sogenannte Celtic Fields. Ein Großteil der erhaltenen ‚Celtic Fields‘ der Rhein-Main-Ebene ist auf sehr leichten Böden angelegt, die wenig landwirtschaftlichen Ertrag versprechen. Leichtere Böden sind sandig und lassen sich leicht bearbeiten. Sie bringen aber nur spärlichen Ertrag, da sie wenig Nährstoffe und Feuchtigkeit speichern können. Da leichtere Böden heute oft bewaldet sind, hat dies die Erhaltung der Spuren begünstigt.

Staunässe vermeiden

In urgeschichtlicher Zeit konnte man die fruchtbaren, schweren Böden (sie enthalten mehr Ton) mit den damaligen Pflügen und Werkzeugen kaum bearbeiten. Dies verstärkte sich noch in klimatisch nassen und kühleren Zeiten. Deswegen sind die vorgeschichtlichen Bauern in einer Zeit der Klimaverschlechterung (kälter und feuchter), wie sie für das erste vorchristliche Jahrtausend nachgewiesen ist, offenbar vermehrt auf leichtere Böden ausgewichen. Die Sommer wurden kälter und es regnete häufiger. Erst in der römischen Kaiserzeit ist wieder ein Klimaoptimum mit wärmeren Temperaturen nachgewiesen. Dies ist ein erster Hinweis, warum die in der Grafik (Abb.1) rot markierten Ackerspuren auf „schlechteren“, aber leichteren Böden zu finden sind. Man kann jedoch nicht ausschließen, dass es ‚Celtic Fields‘ auch auf besseren und schwereren Böden gab, jedoch durch die Eingriffe der heutigen Landwirtschaft spurlos verschwunden sind.

 

Geplante Ackersysteme: „Typ Sachsenhausen“

In unserer Region handelt es sich meist um sehr große übergeordnete Parzellen mit besonders deutlich ausgeprägten Parzellenrändern, die man auch Leitwälle nennen könnte. Möglicherweise hat man damit eine Ackerflur von der eines Nachbarn abgegrenzt. Diese sehr großen Parzellen sind wiederum in parallele Streifen von etwa 25 Meter Breite unterteilt, die von etwa 10 Meter breiten, heute leicht erhöhten Wällen voneinander getrennt sind. Somit bleibt pro Streifen ein zirka 15 Meter breiter, nicht aufgehöhter Bereich.

Die Streifen erreichen übrigens im Extremfall über 700 Meter Länge! Nach dem am besten erhaltenen Beispiel werden sie hier als „Typ Sachsenhausen“ bezeichnet, wie überhaupt die Celtic Fields dort durch ihre systematische Erscheinung beeindrucken. Daneben tauchen aber im Bodenrelief auch rechteckige oder schachbrettartige Formen auf, die durch andere Nutzungen wie beispielsweise Viehweide/Heumahd entstanden sein könnten. Auffallend lange Wälle könnten größere Gebiete voneinander abgegrenzt haben. Von Wölbbeeten mittelalterlichen Typs, die in der Region auch zu finden sind, kann man die Celtic Fields mit einiger Erfahrung gut unterscheiden.

 

Abb 2: Celtic Fields des Typs „Sachsenhausen“ am Sachsenhäuser Berg in einer farblich bearbeiteten Darstellung von Dr. Arnold.

Könnten die Wälle aus der Keltenzeit sein?

In Sprendlingen macht das Archäologie-Team des Heimatvereins seit 2023 regelmäßig gezielte Untersuchungen zur Datierung der dortigen Wälle. Dafür werden die Wurzelteller umgestürzter Bäume untersucht, die sich auf oder in der Nähe von möglichen Celtic Fields befinden. Bisher beschränkte man sich auf die Flur Buchenbusch, wo sich ein rechteckiges Muster der Wälle zeigt (Abb.4).

Es wurden zahlreiche Keramikscherben gefunden (Abb.5). Die Datierung des letzten Brandes einer dieser Scherben verweist in die Zeit um 260 v. Chr.. Auch Kreis- und Landesarchäologie stuften die Funde als latènezeitlich ein und haben die Fundstelle in ihre Kartierung als mögliche Siedlungsstelle mit Celtic Fields aufgenommen. In Absprache mit den archäologischen Fachstellen vor Ort sollen weitere Wurzelteller untersucht und ausgewertet werden, um die Aussagen zu den Datierungen zu erhärten und die Entstehungs- und Nutzungszeit der Wälle einzugrenzen.

Abb. 5: Scherben der Latènezeit aus Wurzeltellern umgestürzter Bäume.

Warum das Auf und Ab in den Äckern?

Man rätselt aus heutiger Sicht über diese eigenwillige Bewirtschaftungsform der Wälle. Aber auch im Mittelalter hat man aufgewölbte Beete angelegt. Noch sind die Forschungen dazu nicht abgeschlossen, aber einige Theorien weisen darauf hin, dass man in feuchten Jahren durch diese Wölbbeete Staunässe vermeiden wollte. Umgekehrt halfen die tiefer liegenden „Rinnen“, in trockenen Sommern die Feuchtigkeit zu speichern. Dies ermöglichte unseren Vorfahren wohl größere Flexibilität, um auf Wetterschwankungen zu reagieren. Weiterhin vermutet die Forschung, dass bestimmte Pflugtypen und Düngemethoden zur Aufwölbung geführt haben könnten.

Alle diese Theorien könnten auch auf die Keltenzeit zutreffen, sind jedoch bisher unbewiesen. Es könnte jedoch ein Zusammenhang mit der überraschend großen Ausdehnung der Celtic Fields im Rhein-Main-Gebiet (Abb.1) bestehen: um unabhängiger vom Wetter zu werden, schufen die urgeschichtlichen Bauerngesellschaften quasi eine doppelgleisiges System zum Preis eines erhöhten Flächenverbrauchs.

 

Wie veränderte der Mensch das Ökosystem?

Auch in den nur 20 Kilometer von Sprendlingen entfernten Wäldern rund um Mörfelden finden sich ‚Celtic Fields’ sowie zahlreiche Grabhügel der Bronze- bis Latènezeit. Uns interessiert diese Region, weil sie in der Nähe des von Christiane Singer publizierten Pollenprofils Mönchbruch liegen. Mit dieser Methode kann die Pflanzenzusammensetzung vergangener Epochen rekonstruiert werden.

 

Veränderungen im Wald

Die Waldentwicklung seit 800 v. Chr. (Keltische Hallstattzeit) kann nach Singer so zusammengefasst werden: Ab etwa 500 v. Chr. kommt es durch menschliche Eingriffe in Form von Waldbeweidung zu einer Auflichtung und zum Rückgang der Laubhölzer zu Gunsten der Kiefer. In den ersten Jahrhunderten nach Christus kommt es dann umgekehrt wieder zu einem Anstieg von Buche, Eiche und anderen Laubhölzern zu Lasten der Kiefer. Der menschliche Eingriff geht vermutlich in Folge der Konflikte und Auseinandersetzungen rund um den Limes und dessen Aufgabe um 260 n. Chr zurück. Ab der Karolingerzeit (800 n.Chr.), also der Zeit des kaiserlichen Wildbanns, breitet sich bis um die Jahrtausendwende die Eiche stark aus, wohl gefördert als Mastbaum und Nahrung für das Jagdwild im damals entstandenen Reichswald und Wildbann Dreieich.

 

Nachweise von Ackerbau und Viehwirtschaft

Während der von Singer definierten Pollenzone MÖR IIIA, die auf die keltische Laténe-Zeit 360-170 v. Chr. datiert ist, kommt es zu deutlichen Spuren von Ackerbau mit Pollen von Getreide, auch bereits Roggen, sowie den typischen Ackerunkräutern wie Beifuß, Gänsefußgewächse oder Spörgel. Auch Pflanzen, die typisch für eine Grünlandbewirtschaftung aus Heumahd und Weide sind, wurden nachgewiesen. In der Pollenzone MÖR IIIB, die in die nachchristliche Eisenzeit / Römerzeit datiert, gehen die Anzeiger von Viehwirtschaft zurück, während der Ackerbau weiterhin betrieben wird. Ab der Völkerwanderungszeit (500 n. Chr.) kommt es zu einer deutlichen Ausbreitung der Ackerflächen und des Grünlandes. Ab der Karolingerzeit (ab 800 n. Chr.) steigen Roggenpollen deutlich an, da dieses Getreide nun intensiv angebaut wird.

 

Wer war’s: Kelten oder Germanen?

Aus pollenanalytischer Sicht kommen vor allem zwei Datierungszeiträume für die ‚Celtic Fields‘ im Rhein-Main-Gebiet in Frage: die vorchristliche Latènezeit, also die keltische Phase, und die Zeit nach dem Rückzug der Römer aus dem rechtsrheinischen Gebiet, also die Zeit der Völkerwanderung und der Franken. Die bislang bekannten römischen Fluren haben ein deutlich anderes Aussehen und können nach derzeitigem Kenntnisstand ausgeschlossen werden.

 

Fazit

Berücksichtigt man die Lage der Celtic Fields auf den leichten Böden, ist die Keltenzeit als Entstehungszeitraum aus klimatischen Gründen sehr wahrscheinlich. Auch die Hügelgräber zwischen den Fields stammen aus der Hallstattzeit um 700 v. Chr und zeigen uns an, dass dort Siedlungen bestanden. Keramikfunde im Buchenbusch verweisen ebenfalls in die keltische Laténe-Zeit ab 400 v. Chr.. Prinzipiell kann man zum jetzigen Stand zwar die jüngere Bronzezeit wie auch Völkerwanderungszeit und frühestes Mittelalter nicht ausschließen. Aber die bisherigen Indizien sprechen am stärksten für die Eisenzeit des ersten Jahrtausends vor Christus und damit für eine keltisch geprägte Siedlungsperiode als Entstehungszeitraum der alten Ackersysteme im Sprendlinger Wald.

Wichtige Quellen:

Nahrgang, K.: Die Bodenfunde der Ur- und Frühgeschichte im Stadt- und Landkreis Offenbach am Main. – Frankfurt 1967.

Singer, Christiane: Die Vegetation des nördlichen Hessischen Rieds während der Eisenzeit, der Römischen Kaiserzeit und dem Frühmittelalter – Pollenanalytische Untersuchungen zur vegetationsgeschichtlichen Rekonstruktion eines Natur- und Siedlungsraumes unter römischem Einfluss. – Dissertation Frankfurt 2006. 

 www.celtic-fields.com, Weitere Infos und detaillierte Darstellung fast aller Fundstellen von Dr. Arnold (Hinweis: Diese Webseite ist nicht optimiert für Handys)

Mehr zum Archäologie-Team auf der Seite "Sprendlingen erforschen" von Barbara Simon