Hofgut Rosenau
Neben den Hofgütern
Mariahall und Wilhelmshof gab es in Sprendlingen ein weiteres Anwesen,
das die Bezeichnung Hofgut trug: die Rosenau. Im Gegensatz zu den
beiden erstgenannten ist über die Rosenau in der
heimatkundlichen Literatur sehr wenig zu finden. Dies war für den
Autor dieses Berichtes Anlass, in der Sache Erkundigungen einzuholen,
Karten zu studieren und Gespräche mit verschieden Personen zu
führen. Über die Ergebnisse seiner Recherchen soll im
Folgenden berichtet werden.

Schaut man sich das Gebiet
auf alten Flurkarten an, dann erkennt man dort ein Flurstück mit
der Bezeichnung "Auf den Bellung" und "Auf die Bellungswiesen". Die
nach dem Krieg angelegte Bellungstraße (zwischen Eisenbahn- und
Liebknechtstraße) erinnert daran. Es ist auch der Name Belling
(z. B. in "Bellingsweg") überliefert. Gandenberger (1929)
vermutete, dass sich dort eine Streusiedlung in der Urmark
Sprendlingen
befand. Auf dem Messtischblatt von 1876 ist die Neuanlage der
Eisenbahnstraße zu erkennen. Der Hengstbach fließt noch in
seinem alten Bett: westlich der jetzigen August-Bebel-Straße
macht er einen Bogen Richtung Eisenbahnstraße und fließt
dann durch die Niederwiesen Richtung Wald. Er wurde wahrscheinlich in
den 20er Jahren begradigt und mit einer Stauanlage (aus Beton)
versehen, um die Niederwiesen überfluten zu können. Auf dem
alten Messtischblatt ist eine Grube zu sehen, in die ein Weg aus
östlicher Richtung führt. Es handelt sich wahrscheinlich um
eine Lehmgrube, aus der das Material für die Ziegeleien im Norden
Sprendlingens gewonnen wurde. Man beachte den Eintrag "Belling" und
"Bellings W."


Ergänzung 4/19: 1910 verkaufte die Gemeinde Sprendlingen das Gelände (70.000 qm) an die Süddeutsche Geflügelfarm Hugo Wüsthoff. Der Eigner erbaute dort ein Wohn- Betriebs- und Verwaltungsbau sowie Schuppen zur Geflügelhaltung. Es wurde von der Gemeinde eine Straße angelegt (die heutige Rosenaustraße) und das Gelände mit Strom, Wasser und Gas versorgt. Entsprechende Dokumente sind im Stadtarchiv einsehbar. Ein Nutzer dieser Website stellte einen Artikel von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft aus dem Jahr 1913 zur Verfügung. Darin beschreibt Hugo Wüsthoff unter dem Titel "Eine Deutsche Geflügelfarm" sein Anwesen: Es gab Zuchtställe für Peking-Enten mit Ausläufen und mit vom Hengstbach gespeisen Teichen. Im Ostflügel des Haupthauses wurde ein Brutsaal mit 40 Brutmaschinen für ca. 10.000 Eier eingerichtet. Auf der Nordseite der Farm lag der Mastschuppen, der Tausende von Schlachtenten aufnehmen konnte. Es wurden auch Schweine gehalten, die u.a. mit Schlachtabfällen gemästet wurden. Im westlichen Teil der Farm befanden sich die Schlacht-, Pack- und Versandräume und ein Futterboden nebst Futterküche. Die Gebäude waren mit insgesamt ca. 1000 m Gleise miteinander verbunden.
Dem Sprendlinger
Brandkataster ist zu entnehmen, dass das Hofgut Rosenau 1919 von Stefan
Braun übernommen wurde, über den es nur wenige
Informationen gibt. Es
existiert eine Luftaufnahme des Geländes die um 1930 entstanden
ist. Man erkennt das repräsentative Hauptgebäude mit
Mansardendach, gestaffelten Fronten , dem
hervorspringenden
runden Eingangsbereich auf der Südseite und dem einfacher
gehaltenen Wirtschaftflügel auf der Ostseite. Der
längliche Anbau auf der Ostseite war Teil einer Geflügelfarm.
Westlich des Hauptgebäudes sieht man die Gewächshäuser
mit einem Heizgebäude und Schornstein. Die Lehmgrube oben links
auf dem Bild ist noch nicht mit Wasser gefüllt. Aus dem Namen
"Rosenau" kann geschlossen werden, dass in den Gewächshäusern
sicherlich auch Rosen angebaut wurden. Es ist auch anzunehmen, dass die
anderen Flächen des Gutes landwirtschaftlich genutzt wurden.

1938 wurde das Hofgut
Rosenau von dem Berliner Versicherungsdirektor i.R. Arno Otto, der
offensichtlich eine gute Abfindung erhalten hatte, gekauft.
Wahrscheinlich in dieser Zeit wurden auch die drei Karpfenteiche
entlang des Hengstbaches angelegt, die erst 1981 nach einer
großen Überschwemmung beseitigt wurden. Auch
dürfte die Lehmgrube mit dem Hengstbach verbunden und geflutet
worden sein. In den Niederwiesen gingen während des Krieges Bomben
nieder, deren Explosionsdruck die Gewächshäuser teilweise
zerstörten. Angemerkt sei noch, dass es noch bis in die
Nachkriegszeit in der Darmstädter Straße, Ecke
Ludwigstraße eine Gastwirtschaft mit dem Namen "Zur Rosenau" gab. Diese Bezeichnung hat aber nichts mit dem Hofgut Rosenau zu tun.
Winterliche Bilder des Hofgutes Rosenau aus den 1950er Jahren.
1953 pachtete Fritz
Domke das Hofgut von dem lebenslustigen Arno Otto, der
mit seiner Frau weiterhin im Hofgut wohnte (und 1957 verstarb). Fritz
Domke führte seine Geschäfte über zwei Firmen: den
Gartenbaubetrieb Rosenau und den Fritz Domke Pflanzenhandel. Der
Gartenbaubetrieb spezialisierte sich auf Azaleen und Erika,
während die Handelsfirma sich über internationalen Kontakten
hauptsächlich mit mit der Einfuhr von Lorbeerbäumen befasste.
Der Sohn und Schwiegersohn übernahmen dann die Betriebe. Die
Geschäfte liefen zunächst gut weiter, bis 1973 die ersten
Ölkrise kam. Die Energiekosten für die Heizung der
Gewächshäuser stiegen stark an, so dass dies das Ende des
Gartenbaubetriebes Rosenau bedeutete. Der Pflanzenhandel lief
unterdessen weiter.






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Der Autor dankt Frau Domke, Herrn Gleisner und Herrn Böhm für die informativen Gespräche.
Fotos: L. Domke, W. Ott, Archiv Baumbusch, Hofgut Rosenau GmbH
Literatur: Gandenberger, W: Die Flurnamen von Sprendlingen, Beiblatt zum zehnten Bereicht der freiwillig-tätigen Arbeitgemeinschaft zur Förderung der Heimatforschung, 1929
Sprendlinger Brandkataster: Information von Hans Ludwig Schäfer, Stadtarchiv Dreieich
Autor: Wilhelm Ott, Dreieich, im August 2013, ergänzt im Mai 2016